An diesem Freitag beginnen die Schwetzinger Festspiele mit Annette Schlünz’ Monteverdi-Musiktheater „Tre Volti“. Ein Gespräch mit der neuen Festspielleiterin Heike Hoffmann.

Schwetzingen - Vom Konzerthaus Berlin ging sie 2009 zur Salzburg Biennale. Ab 2017 tritt die Kultur- und Theaterwissenschaftlerin Heike Hoffmann als künstlerische Leiterin der Schwetzinger Festspiele die Nachfolge von Georges Delnon (Oper) und Marlene Weber-Schäfer (Konzerte) an. Die 58-Jährige verdichtet das Festival und will mit neuen Präsentationsformen ein neues Publikum gewinnen.

 
Frau Hoffmann, was ist das Besondere an den Schwetzinger Festspielen?
Schwetzingen atmet Kultur- und Kunstgeschichte, es gibt ein herrliches Schloss mitten in einem wundervollen Park. Die Stadt liegt zentral in Deutschland, außerdem ist sie ein kleiner Kosmos, in dem man die Leute schnell kennenlernt – und so bietet Schwetzingen genau das, was ein Musikfestival braucht: Konzentration und Atmosphäre. Die stellt sich in einer Großstadt so einfach nicht her. Die Schwetzinger Festspiele haben eine große Tradition: Hier wurde Musiktheatergeschichte geschrieben, ein hochklassiges Konzertprogramm geboten - das ist Grundlage und Verpflichtung für meine Arbeit hier. Dazu kommt das Engagement des SWR: Dass sämtliche Schwetzinger Veranstaltungen im Rundfunk übertragen werden, ist großartig, für die Programmgestaltung aber manchmal auch eine echte Herausforderung.
Die Klanginstallation von Rebecca Saunders und Martin Rein-Cano, die vom Anfang bis zum Ende des Festivals im Kammermusiksaal des Schlosses zu erleben ist, wird aber nicht im Radio übertragen?
Nein, die nicht, und so etwas gab es hier auch noch nicht. Ich versuche ja immer, im Kopf das Radio mitzudenken, aber ein Festival muss auch vor Ort etwas bieten. Wenn es außerdem auch ein Publikum anziehen will, das bisher nicht gekommen ist, dann muss es zusätzlich besondere Angebote machen, und das habe ich 2017 unter anderem damit versucht. Allerdings gibt es ein Konzert mit dieser Installation und Solisten der Musikfabrik NRW, für das Rebecca Saunders eine Art Pasticcio eigener Werke zusammenstellt. Und das hören wir dann auch im Radio.
Aber woher kommt denn dieses Publikum, das bisher nicht beim Festival war? Aus Schwetzingen und der Umgebung? Oder sind das Besucher von auswärts, die durch mehr „Events“ gelockt werden wollen?
Das Wort Event benutze ich nicht so gern. Aber ich möchte natürlich beide Gruppen gerne für unsere Veranstaltungen binden. Es gibt ein ziemlich großes, ungemein kenntnisreiches Stammpublikum, das im Wesentlichen aus der dicht besiedelten und verkehrstechnisch gut angebundenen Region um Schwetzingen stammt. Andere Besucher reisen für bestimmte Künstler und Aufführungen von weiter her an. Aber wenn man in die Säle schaut, dann sieht man dort viele Menschen im Alter von 60 plus. Das ist in Ordnung, aber wir müssen uns auch um die Jüngeren bemühen, und ich versuche, auch Menschen, die bisher nicht gekommen sind, weil sie der Mär aufsaßen, Festspiele seien zu abgehoben, zu teuer und fast immer ausverkauft. So haben wir jetzt für alle Konzerte eine deutlich günstigere Ticketkategorie neu eingeführt. Das sind nicht viele Karten, aber wer sich rechtzeitig bemüht, der hat eine gute Chance, etwa für 18 Euro bei einem hochklassigen Kammerkonzert dabei zu sein.
Wobei das Problem ja auch darin liegt, dass heute Viele nicht mehr mit dem Bewusstsein aufgewachsen sind, dass man mit klassischer Musik und Oper einen schönen und bereichernden Abend verbringen kann.
Deshalb gehen wir aus dem etwas hermetischen und exklusiven Schloss-Ambiente auch mal hinaus in die Stadt. An einem Nachmittag veranstalten wir auf der Karl-Theodor-Straße in den Geschäften bei freiem Eintritt kleine Kurzkonzerte: Das ist locker, man kann mit den Künstlern ins Gespräch kommen. Diese Idee hat eine riesige Resonanz gefunden. Auch die Klanginstallation ist eine Öffnung nach außen: Da kann man den ganzen Tag hingehen, selbst spielen und zugucken. Außerdem gibt es noch einen Klangspaziergang mit dem Schlagquartett Köln und Bläsersolisten im Schlossgarten, der ja als Konzertort noch viel Potenzial bietet. Ich hoffe sehr, dass wir auf diese Weise mehr Menschen auch zu den klassischen Konzertformaten locken.