Schwarz-Gelb will das Atomthema abräumen. Acht Meiler sind akut vom endgültigen Aus bedroht. Die FDP stellt sich bisher quer.

Berlin - Die Zeichen für einen schnellen Atomausstieg und das endgültige Aus für bis zu acht Kernkraftwerke verdichten sich. Die Spitzen von Union und FDP rangen am Sonntag im Kanzleramt um ein Ausstiegsdatum und die Details der ehrgeizigen Energiewende. Die von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) eingesetzte Ethik-Kommission empfahl ein Ende der Atomkraftnutzung bis spätestens 2021.

 

Auch CSU-Chef Horst Seehofer machte sich für einen Abschied von den Meilern innerhalb von zehn Jahren stark. „Ich werde das Ergebnis der Ethikkommission zur Grundlage der Beratungen im Koalitionsausschuss machen“, sagte Seehofer der „Bild am Sonntag“.

In Berlin beriet Merkel zunächst mit Seehofer, FDP-Chef Philipp Rösler, den zuständigen Ministern und den Fraktionschefs über den Ausstieg und das Gesetzespaket zum Ausbau der Ökostromproduktion. Dem Vernehmen nach stehen die sieben ältesten Anlagen und der Meiler Krümmel vor dem Aus, auch wenn die FDP noch Bedenken hat. Nach der Katastrophe im japanischen Fukushima hatte sich die Regierung zu einer Kehrtwende in der Atompolitik entschlossen. Dabei waren erst im Herbst 2010 von Schwarz-Gelb die Laufzeiten der 17 Meiler um durchschnittlich zwölf Jahre verlängert worden.

Die mehrstündigen Gespräche im Kanzleramt dauerten am Sonntag an. Am Abend sollte der Koalitionsausschuss - das höchste Entscheidungsgremien - von Union und FDP zusammenkommen. In Regierungskreisen wurde eine Vertagung auf den kommenden Freitag aber nicht völlig ausgeschlossen.Vor dem Treffen lagen die Positionen auseinander. Während CSU und CDU ein festes Abschaltjahr um 2021/2022 herum wollen, fordert die FDP einen zeitlichen Korridor. Rösler warnte vor einem Bieterwettbewerb um das Datum: „Der Weg bis dahin ist entscheidend“, sagte der Wirtschaftsminister.

FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle sagte der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“, es sei angesichts drohender Stromausfälle keinesfalls entschieden, dass die acht vorläufig abgeschalteten AKW vom Netz blieben. Der Atomausstieg könne „nur unter bestimmten Bedingungen mit einem Enddatum versehen“ werden.

Ethikkommission empfiehlt erneuerbare Energien

Die 17-köpfige Ethik-Kommission stellte am Wochenende ihren Abschlussbericht fertig, den Merkel offiziell am Montag erhält. Das Gremium ist überzeugt, dass der fehlende Atomstrom in zehn Jahren oder früher durch erneuerbare Energien ersetzt werden kann.

Auf ein konkretes Enddatum verzichteten die Experten. Sie forderten die Regierung auf, einen Sonderbeauftragten für die Energiewende zu berufen. Auch müsse es eine zügige Regelung der Endlagerung für hoch radioaktiven Atommüll geben und nach alternativen Standorten zu Gorleben in Niedersachsen gesucht werden.

Wie die Kommission wirbt nun auch die FDP dafür, ein bis zwei abgeschaltete AKW als „kalte Reserve“ zu behalten, um für den Fall von Stromengpässen gewappnet zu sein. Dazu sagte Rösler der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“: „Sie bleiben heruntergefahren, erhalten sich aber die Fähigkeit, innerhalb kurzer Zeit wieder hochgefahren zu werden.“

Umstrittene Atomsteuer könnte bleiben

SPD-Chef Sigmar Gabriel forderte, den Empfehlungen der Ethik-Runde zu folgen. „Die Kanzlerin muss sich endlich entscheiden: Will sie nur einen billigen Burgfrieden in ihrer zerstrittenen Koalition, oder will sie einen breiten Energiekonsens?“, sagte er der „Bild am Sonntag“. Die umstrittene Atomsteuer für die Konzerne könnte bleiben. Bei einem Aus für bis zu acht Meiler würde sie aber nach Berechnungen des Öko-Instituts statt 2,3 nur noch 1,3 Milliarden Euro jährlich bringen. Auch Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) machte sich im „Tagesspiegel“ für den Erhalt stark. Die Steuer war fest im Sparpaket der Regierung eingeplant.

Zur Abschöpfung der Gewinne aus längeren Laufzeiten war zudem ein Fonds eingerichtet worden zum Ausbau der erneuerbaren Energien. Durch eine Rücknahme der längeren Laufzeiten würden die Milliardenzahlungen der Konzerne entfallen. Die Bundesregierung will deshalb den Energie- und Klimafonds nach Informationen von „Spiegel“ und dpa anderweitig aufstocken. Sämtliche Einnahmen aus dem Verkauf von CO2-Zertifikaten sollen dafür verwendet werden. Die Bundesregierung rechnet dabei ab 2013 im Schnitt mit einem Aufkommen von jährlich rund 3,3 Milliarden Euro.