Der Neckar ist nicht als Badegewässer freigegeben. Experten raten dringend vom Schwimmen im Fluss ab, andere haben den Fluss trotzdem durchschwommen. Sie alle haben in der vierten Ausgabe der Reihe „Neckarfantasien“ zum Thema diskutiert.

Bad Cannstatt - Beim Ski-Club über das Schwimmen im Neckar zu diskutieren, mag paradox klingen. Nicht aber, wenn man weiß, dass das Vereinsheim des Cannstatter Ski-Clubs direkt am Fluss liegt – zudem noch ganz in der Nähe des Sicherheitshafens, der immer wieder genannt wird, wenn es um eine mögliche Badestelle im oder zumindest eine Freizeitfläche am Neckar geht. Für die vierte Veranstaltung der Reihe „Neckarfantasien“ hat sich das Cannstatt-Team von Stuttgarter Zeitung und Stuttgarter Nachrichten daher bewusst das Vereinsheim als Veranstaltungsort ausgesucht. Am vergangenen Donnerstagabend hat das Team mit Experten, Schwimmern und Zeitzeugen über das Baden im Neckar diskutiert. Wie immer waren ausgeloste Leser dabei und durften mitdiskutieren.

 

Ein echter Zeitzeuge ist Hans Betsch. Der Ur-Cannstatter erinnert sich noch gut daran, wie Jugendliche in der Nachkriegszeit im Neckar schwammen, wie er den Zuhörern berichtete. Mit sieben Jahren wollte er es selbst ausprobieren, obwohl er nicht schwimmen konnte. Er unterschätze die Strömung des Neckars. „Ich wäre fast ertrunken, hätte mein Vater mich nicht herausgezogen“, erzählt der 72-Jährige.

Ende des 19. Jahrhunderts stank der Neckar erbärmlich

Über die Wasserqualität, die sich über die Jahrzehnte stark verändert hat, informierte Jürgen Brand, der Leiter des Cannstatt-Teams. Ende des 19. Jahrhunderts verschlechterte sich die Qualität des Neckars rapide im Zuge der Industrialisierung. „In den 1880er Jahren wurden die Zustände immer unerträglicher“, sagte Brand und zitierte aus dem Buch „Cannstatt und seine Geschichte” von Jürgen Hagel: „Der Neckar stank derart, dass niemand in seiner Nähe die Fenster zu öffnen wagte.”

1968 galt der Neckar als „sehr stark verschmutzt”, was der Gewässergüteklasse III-IV entsprach. Nach Angaben des Amts für Umweltschutz der Stadt, sei es dann langsam besser geworden. Im Jahr 1985 galt die Güteklasse III (stark verschmutzt), 1988 Güteklasse II-III (kritisch belastet). Seit 2003 heißt es: „In jüngerer Zeit sind Tendenzen zur Güteklasse II (mäßig belastet) festzustellen. Was aber längst nicht für die Freigabe zum Badegewässer reicht. Richtig verbieten könne die Stadt es aber auch nicht, dass jemand ins Wasser steigt, wie einer der Experten später erklärte.

300 Kilometer durch den Neckar geschwommen

Martin Tschepe indes ist der Meinung, der Neckar sei sauber genug, um darin zu schwimmen – tagelang. Er ist Redakteur der Stuttgarter Zeitung und Hobby-Langstreckenschwimmer. Im Juni dieses Jahres hat er die Probe aufs Exempel gemacht: Zusammen mit Volker Heyn ist er zwei Wochen lang durch den Fluss geschwommen, 300 Kilometer von Sulz bis Mannheim. Die beiden sind beim Schwimmverein Ludwigsburg (SVL) aktiv und trainieren regelmäßig im Neckar. Bis dato, so Tschepe, hätten sie nie Probleme wegen des Wassers gehabt. Und das, obwohl sie in den zwei Wochen regelmäßig Wasser geschluckt hätten.

Schwimmen im Neckar sei aber keinesfalls für jeden zu empfehlen, sagte der 50-Jährige. Wer sich in den Fluss wage, der sollte ordentlich trainiert sein und immer nah am Ufer bleiben. „Die großen Kähne können nämlich nicht ausweichen.“

Warnung: Der Neckar ist kein Ort für ungeübten Badespaß

Genau aus diesem Grund warnt Walter Braun, der Leiter des Wasser- und Schifffahrtsamtes Stuttgart, vor dem Schwimmen im Neckar. Wer zwischen die Rückströmung und die Heckwelle eines vorbeifahrenden Schiffes gerate, „hat keine Chance rauszukommen“, erklärte er. „Der Neckar ist als Wasserstraße kein Gewässer für den ungeübten Badespaß.“

Ebenfalls eine klare Warnung sprach Thomas Ruhland, der technische Leiter der DLRG Stuttgart, aus. Er weiß, dass die von Braun beschrieben Situation Realität werden kann. Im vergangen Sommer habe die DLRG-Mannschaft einen Schwimmer in Münster aus dem Neckar ziehen müssen, der zwischen ein Ausflugs- und ein Transportschiff geraten war. Neben der Strömung warnte er zudem vor der Wassertemperatur und möglichen Verletzungen durch Müll am Grund oder Treibgut.