Er hat keine politische Erfahrung – und betrachtet das als Vorteil: Sebastian Turner, der OB-Kandidat der Stuttgarter CDU, im Porträt.

Stuttgart - Die Stuttgarter CDU hofft, die Oberbürgermeisterwahl in der baden-württembergischen Landeshauptstadt mit einem parteilosen Unternehmer zu gewinnen. Der 45-jährige Berliner Werbeprofi Sebastian Turner siegte auf einem mitgliederoffenen Kreisparteitag am Samstag deutlich gegen den früheren CDU-Sozialminister und ehemaligen Singener Oberbürgermeister Andreas Renner.

 

Der bisher in Stuttgart völlig unbekannte Wunschkandidat von CDU-Kreisverbandschef Stefan Kaufmann präsentierte er sich in seiner Rede als unabhängiger Kopf, der mit der Idee einer „Bürgerstadt“ in den Wahlkampf gehen will. „Das, was sie gespalten hat, kann sie auch wieder versöhnen, die Leidenschaft der Bürger für ihre Stadt“, sagte er. Er wolle als Bürgermeister erreichen, dass sich die Bürger für ihre Stadt engagieren und nicht mehr gegeneinander.

Unterstützung von Alt-OB Manfred Rommel

Das wohl prominenteste CDU-Mitglied, Alt-Oberbürgermeister Manfred Rommel, hatte Turner auf seiner Seite. Der gesundheitsbedingt abwesende Rommel ließ auf dem Parteitag einen Brief an die CDU-Mitglieder auslegen, in dem er sich für Turner aussprach. Er sehe Turner in der Lage, auch Wähler aus den Lagern von SPD und Grünen auf seine Seite zu ziehen. Denn diese hat er nötig, wenn er gegen den Grünen-Widersacher Fritz Kuhn gewinnen will.

Viele CDU-Mitglieder gaben ihm auf dem Parteitag dann auch ihre Stimme, da sie glauben, „dass die Stuttgarter die Parteistreitigkeiten einfach satthaben“. Der CDU will Turner folglich auch nicht im Fall seiner Wahl beitreten. Mit der Partei teile aber er ein „Grundkoordinatensystem“.

Turner setzt auf Bürgergespräche

Nach seiner Kür zum CDU-Kandidaten läutet der Ex-Chef der Werbeagentur Scholz & Friends nun seine erste Werbekampagne in eigener Sache ein. Der Erfinder des Baden-Württemberg-Slogans „Wir können alles - außer Hochdeutsch“ empfiehlt sich als jemand der zuhört. Sein Wahlprogramm will er erst in den nächsten Monaten im Gespräch mit den Bürgern formulieren. Eines verspricht er der vom Streit um „Stuttgart 21“ gebeutelten Stadt: Große Entscheidungen werden künftig vorab in Bürgergesprächen besprochen, bevor sie gefällt werden.

Der Unternehmer kann in Stuttgart auch damit aufwarten, dass sich seinen Erfolg aus eigener Kraft erarbeitet hat - das kommt bei den Schwaben gut an. So gründete er mit Freunden kurz nach der Wende in Dresden eine Werbeagentur in einem Zimmer, wo zu Anfang auch in Nachtschichten gearbeitet und geschlafen, wie er erzählt. Die Agentur wurde später Teil von Scholz & Friends, mit der zahlreiche bundesweit bekannte Kampagnen startete.

Werbeprofi setzt auf Inhalte, nicht auf Verpackung

Turner will trotz seiner bisherigen räumlichen Distanz keinen Zweifel lassen, dass er in Stuttgart verwurzelt und mit der Stuttgarter Mentalität vertraut ist. Schließlich ist der Sohn des früheren Rektors der Uni Hohenheim in Stuttgart aufgewachsen und spricht nach eigenen Angaben ebenso authentisch Schwäbisch, wie er des Hochdeutschen mächtig ist. Zudem wohnen in Stuttgart die Eltern seiner Frau.

Auch ein gutes Verhältnis zum Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann kann sich der derzeitige Vorstand der Berliner Einstein-Stiftung zur Förderung der Wissenschaften vorstellen. An Kretschmann imponiert Turner die verlässliche Haltung nach der Stuttgart-21-Volksabstimmung. Vermutlich könne sich der Grünen-Politiker aber nicht mehr an ihre erste Begegnung erinnern: Mit vier Jahren habe er einmal auf Kretschmanns Schoß gesessen, als dieser als AStA-Vorsitzender seinen Vater besucht habe. „Ich hatte keine Windel an, habe aber die Situation nicht missbraucht. Ich stehe für einen fairen Wahlkampf“, versicherte Turner in seiner Bewerbungsrede

Befürchtungen, er werde als Werbeprofi eher auf die äußere Erscheinung als auf Inhalte achten, sucht Turner zu zerstreuen: „Erst der Inhalt, dann die Verpackung. Wer es anders macht, scheitert auch in der Werbung“, betont er auf Nachfrage.