Der Sieg von Sebastian Vettel in Malaysia macht der Scuderia Ferrari nach einer erfolglosen Phase wieder Hoffnung auf bessere Zeiten. Der Hauptkonkurrent Mercedes ist noch nicht beunruhigt, aber aufgeschreckt. Für die Spannung in dieser Formel-1-Saison kann das ja nur gut sein.

Sepang - An der Haltungsnote für den Siegersprung muss er noch etwas arbeiten, aber Sebastian Vettel war ja auch ein bisschen aus der Übung gekommen. Und wenn sich dann in Lust entlädt, was sich in 14 Monaten Frust aufgestaut hat, dann ist eine leichte Schieflage zu tolerieren. Denn alles andere ist in Balance nach dem ersten Sieg im zweiten Rennen mit Ferrari. Das Vettel-Vau ist wieder da, es steht vor allem für Vollstrecken.

 

Der Ferrari-Teamchef Maurizio Arrivabene, dessen eigenes Wohl und Wehe von dem spektakulären Transfer im letzten Herbst abhängig ist, hat an diesem heißen Sonntagnachmittag in Malaysia einen Steuermann gefunden, der das gestrandete Traditionsteam wieder flott machen kann. Doch vor dem Wunder von Sepang stand das Wunder von Maranello. Traumschiff Ferrari, dahinter verbirgt sich eine fast komplett neue Besatzung, und vor allem deshalb ist der schnelle Erfolg der Reformtruppe so überraschend. Nicht mal ein halbes Jahr arbeiten die meisten zusammen.

Arrivabene kam vom Zigarettenkonzern Philip Morris, für den er früher die Ferrari-Skicamps in Madonna di Campiglio veranstaltet hat. Motorenchef Mattia Binotto musste erst abwarten, bis sein glückloser Vorgänger Luca Marmorini im Sommer geschasst wurde. Renningenieur Riccardo Adami kam Ende des Jahres vom Talentschuppen Toro Rosso, wo er schon 2008 mit dem Formel-1-Neuling Vettel zusammen gearbeitet hatte. Chefdesigner Simone Resta ist ein Eigengewächs, aber auch erst seit der Radikalkur im letzten Jahr in verantwortlicher Position.

Der Dreijahresplan kann aufgehen

So groß wie die Erleichterung bei Arrivabene und Vettel war, so groß muss sie auch beim Firmen-Präsidenten Sergio Marchionne gewesen sein. Der gnadenlose Manager, Branchenspitzname Bulldozer, hat für die angeblich 100 Millionen Euro, die der Umbau der gestione sportiva schon gekostet haben soll, einen Dreijahresplan bis zum Titelgewinn formuliert. Aber seinen Angestellten ist klar: Das Ende der Saison 2017 ist das Ende des Geduldsfadens.

Die Mannschaft ist auf dem richtigen Weg

Besser also, es klappt früher. Auch deshalb war der Sieg vom Sonntag so wichtig: Er zeigt, dass die neuformierte Mannschaft auf dem richtigen Weg ist. Und die Reaktionen der Ferraristi waren nicht bloß Erleichterung, das war schon Erlösung. Marchionne, der Ratio-Manager formuliert natürlich nicht so blumig wie sein Vorgänger Luca di Montezemolo, aber seine Botschaft war nicht minder staatstragend. Er fühle Dankbarkeit im Herzen, ließ der 62-Jährige übermitteln, „für Maurizio Arrivabene sowie die Männer und Frauen der Scuderia“. Also die ganze Truppe. Denn: „Was heute sichtbar wurde, ist das Resultat unglaublich harter Arbeit der vergangenen Monate. Es wurde im Stillen und mit großer Bescheidenheit gearbeitet, was dafür spricht, dass es ein großes Team ist.“

Die Rührung ist echt, was ebenfalls von dem enormen Druck zeugt, der auf allen lastete. Sebastian Vettel inklusive. Doch der hat einmal mehr seine Vollstreckerqualitäten an den Tag gelegt. Die beruhen, wie bei allen großen Rennfahrern, auf einer Mischung aus Intellekt und Instinkt. Wer weiß schon, ob sich Mercedes jemals wieder dem Diktat der Fahrergleichberechtigung unterwirft und Lewis Hamilton wie Nico Rosberg auf der gleichen Strategie fahren lässt? Wann wird es in dieser Saison noch einmal eine solche Kombination aus langen Geraden und enormer Hitze geben, bei denen die Fahrzeugqualitäten des SF 15-T die technische Überlegenheit der Silberpfeile egalisieren?

Mercedes ist noch nicht beunruhigt

„Es ist ein komplett anderes Spiel geworden“, hofft Sebastian Vettel, „aber da ist noch viel, was wir erreichen wollen. Deshalb ist ein guter Start auch so wichtig. Wir müssen jetzt sicherstellen, dass wir weiterhin solche Ergebnisse abliefern. Und das geht nur mit konsequenter Weiterentwicklung.“ Der Hauptkonkurrent Mercedes ist noch nicht beunruhigt, aber aufgeschreckt. Für die Spannung in dieser Formel-1-Saison kann das ja nur gut sein. „Natürlich wäre ich gern in jedem Rennen in dieser Position“, sagt Vettel über die Chancen auf weitere Duelle Rot-Silber, „aber wir müssen auch realistisch bleiben. Mercedes hat über den Winter und zum Anfang der Saison eine große Überlegenheit an den Tag gelegt, und die löst sich ja nicht einfach so in Luft auf. Das ist schon noch ein Sprung, den wir machen müssen. Das erste Ziel ist deshalb, diesen Vorsprung weiter zu verkleinern.“

Der Glaube an das Gemeinsame steht im Vordergrund

Mit voller Spritladung auf den Geraden ist der Ferrari auf Silberpfeil-Niveau, und das Auto geht dazu noch schonend mit den Reifen um. „Dahinter steckt viel beharrliche Arbeit“, sagt der Technikchef James Allison. Siegfahrer Vettel ergänzt: „Dazu kommt der Glaube an das Gemeinsame, der bei uns im Vordergrund steht. Das ist das Allerwichtigste.“

Ferraris großer Sprung ist auch dem verkorksten Vorjahr zu verdanken, schon um Juni wurden alle Kräfte auf eine Neukonstruktion konzentriert. Das kam besonders dem Sechszylinder-Hybrid-Motor zu Gute. Und der Motivationsfaktor für Ferrari und seinen neuen Paradepiloten ist nicht zu unterschätzen. Es scheint fast so, als habe die Formel-1-Karriere von Vettel erst mit diesem Sieg richtig begonnen – obwohl es schon sein 40. Grand-Prix-Erfolg war. Aber alles vergessen zu lassen, das ist die Macht von Ferrari, die den Mythos begründet.