Bei Supper Clubs schaffen Gastgeber in den eigenen vier Wänden Restaurant-Atmosphäre. Ein Besuch bei Stuttgartern, die gerne wildfremde Leute bekochen und sich übers Essen austauschen.

Stuttgart - Ein Abend im Januar dieses Jahres. Die Gastgeber einer Essenseinladung führen die ihnen unbekannten Gäste in die eigenen vier Wände. Das Wohnzimmer trumpft mit einem riesigen Panoramafenster auf, das an einen überdimensionierten Flatscreen-Fernseher erinnert. Das Programm ist ausgesucht: Der Stuttgarter Schlossplatz mit dem Kunstkubus funkelt gekonnt in Szene gesetzt in der Abenddämmerung. Der Wohnzimmertisch ist festlich gedeckt, es duftet nach selber gebackenem Brot. Zum Aperitif wird ein köstlicher Portwein serviert. Die Gastgeber wursteln noch in der Küche, die Gäste können derweil ihrem voyeuristischen Trieb nachkommen und die Bücher- und CD-Sammlung durchstöbern, bis der erste Gang serviert wird: Rucola-Salat mit süßen Birnenstücken und einem kräftigen Bergkäse. Willkommen beim ersten Stuttgarter Supper Club, bei dem Gastgeber im eigenen Heim Restaurant-Atmosphäre herstellen.

 

Den Stuttgarter Secret Supper Club gibt es seit Anfang des Jahres. Unter dem Namen Frida Kahlo kochen die Werberin Caroline Frunke (42) und der Lehrer für Deutsch, Ethik und Religion, Sebastian Krömer (45), für ihre Gäste. Die Namen der Gastgeber wurden von der Redaktion aus zwei Gründen geändert. Zum einen ist das Veranstalten eines Secret Suppers nicht ganz legal, schließlich müssten die Gastgeber eigentlich Steuern abführen, ein Gewerbe anmelden und die eigene Küche auf penible Sauberkeit testen lassen. Der Ruch des Illegalen gehört zu der Veranstaltungsart aber zwingend dazu. Die Gäste zahlen eine Zeche, die dem Selbstkostenpreis der Veranstalter entspricht.

Ein Menü für 30 bis 40 Euro

Zum anderen haben die beiden Gastgeber aber auch Angst, dass sich nur der erweiterte Freundeskreis zum Essen anmeldet, wenn herauskommt, wer hinter Frida Kahlo steckt. „Dass weder die Gäste noch die Gastgeber wissen, was und vor allem wer sie erwartet, ist aber Teil des Zaubers eines Secret Dinners“, erklärt Caroline Frunke das Prozedere.

Der Trend der Underground Dinner ist so neu nicht. In Metropolen wie London oder Berlin wird bereits seit Jahren in privaten Wohnungen für Unbekannte gekocht. „Sebastian und ich wollten auch in Stuttgart an solch einem Dinner teilnehmen. Nachdem wir hier aber kein einziges Angebot gefunden hatten, haben wir beschlossen, einfach selbst eines zu organisieren“, so Frunke. Geplant sind bisher vier Essen pro Jahr. Für einen Unkostenbeitrag von 30 bis 40 Euro pro Abend wird ein Menü aus regionalen Zutaten serviert. Das Label „Frida Kahlo“ wurde deshalb ausgewählt, weil beide versierten Freizeitköche die mexikanische Malerin sehr schätzen.

Auch gepicknickt wir im Geheimen

Der erste Frida-Kahlo-Termin im Januar war komplett ausgebucht, die acht Plätze beim zweiten Abend im Mai waren ebenfalls schnell vergeben. Nun folgt Anfang September das dritte Dinner, dieses Mal organisiert als Secret Picknick an einem noch geheimen Ort in der Stuttgarter Innenstadt.

Vor allem der soziale Aspekt des Supper Clubs sei laut Caroline Frunke spannend. „Das Zusammentreffen mit unseren Gästen war unheimlich bereichernd. Wir hätten uns sonst nie kennengelernt.“ Das erste Dinner sei sehr frauenlastig gewesen, „da hat sich nur ein Mann zu uns getraut“. Die Zusammensetzung bei Termin zwei sei wiederum völlig anders gewesen: „Da hatten wir nur Pärchen zu Gast, vom Physiker bis zur Zahnarzthelferin war alles vertreten.“ Gerade die Teilnehmer, die im Vorfeld am skeptischsten waren, hätten den Abend schließlich bis zum Anschlag ausgekostet. Letzteres lag womöglich auch am ausgesuchten Menü der Veranstaltung, das aus hausgemachtem Focaccia mit Tomaten und gebackenem grünem Spargel mit Oliven und Tomaten zur Vorspeise, Saltimbocca mit Rosmarinkartoffeln und Zucchini zur Hauptspeise sowie einer Schokotarte mit Erdbeersorbet zum Nachtisch bestand. „Am Ende ist das Ganze zu einem Acht-Stunden-Event ausgeartet“, so Frunke. Der Abend wurde nachträglich von einem Gast auf dessen Foodblog geradezu hymnisch gewürdigt (www.ihana.eu/all-you-need-is).

Vom Secret Supper in die „richtige“ Gastronomie

Den Vorwurf, der klassischen Gastronomie Gäste wegzunehmen, kann Caroline Frunke entkräften. „Der letzte Abend hat sich zu einer Restaurant-Tipp-Tauschbörse entwickelt. So kurbeln wir die lokale Gastronomie sogar an“, sagt Frunke. Die Teilnehmer des zweiten Supper Clubs haben sich mittlerweile ein weiteres Mal getroffen – außerhalb von Frida Kahlo – in einem Restaurant. Schließlich ist man als Veranstalter des Secret Supper Clubs immer auf der Suche nach Inspiration – für das nächste Dinner in Restaurant-Atmosphäre in den eigenen vier Wänden.

Secret Supper Clubs – ein weltweiter Trend

Herkunft London gilt als Vorreiter der Secret Supper Clubs. Das lesenswerte Foodblog The Salt Shaker aus Buenos Aires verzeichnet Hunderte Supper Clubs auf der ganzen Welt (www.saltshaker.net/underground-dining-scene). Wer nicht ganz so weit reisen möchte, dem sei der „Schnouse am Mittwuch“ in Bern ans Herz gelegt. Termine unter www.schnouse.ch.

Übersicht In ganz Deutschland gibt es mittlerweile Supper Clubs. The Shy Chef in Berlin gilt als einer der bekanntesten Vertreter. Der Thyme Supper Club in Berlin liefert einen Überblick über deutsche Clubs: www.thyme-supperclub.com/blog-posts/german-supperclubs/

Stuttgart In Stuttgart gibt es den Secret Supper Club Frida Kahlo. Das nächste Essen findet am 7. September als Secret Picknick statt. Anmeldung und Infos unter www.secretsupperstuttgart.wordpress.com. ivo