Black Swift präsentiert am Samstag ihr neues Album im Stuttgarter Keller Klub. Es ist ein lauter, ehrlicher Zwischenruf in Zeiten von Trump und Flüchtlingskrise – und ein Stück Kunst, wie man es auf Spotify nie kriegen wird.

Digital Desk: Jan Georg Plavec (jgp)

Stuttgart - Man kann über Streamingdienste denken, was man will. Alben wie die von Black Swift wird man immer in der Hand halten müssen, um sie wirklich be-greifen zu können. Das war schon beim letzten Mal so. Und die Wahlstuttgarterin Sally Grayson, die hinter Black Swift im Wesentlichen steckt, glaubt als auch Bildende Künstlerin weiterhin an Dinge, die man anfassen und anschauen kann, die man drehen kann, aus der Nähe oder aus der Ferne betrachten und vielleicht sogar weitergeben. Geht mit Spotify alles nicht.

 

„See Me Human“ heißt das neue Black-Swift-Album, am Samstag wird es im Keller Klub vorgestellt. Es ist ein physisches Stück Popkultur, das man haben sollte – nicht nur, weil Alben so selten mit einem 16-seitigen, in Collagenform gestalteten Kunstmagazin gereicht werden, das in Form und Inhalt an die Programmhefte zu Oper- und Theateraufführungen erinnert.

Ein syrischer Sänger als Gast

Jedenfalls ist dies das schönste Stuttgarter Album des Jahres. Seine große Stärke ist die Einheit von Optik, Musik und Inhalt. „Bang! Bang!“ zum Beispiel ist kein Nancy-Sinatra-Cover, sondern „a violent song against violence“, wie es in den englischsprachigen Anmerkungen heißt. Der Song prügelt sich tatsächlich gewaltsam durch die böse sägenden Gitarrenwände, die David Arzt errichtet – und kommt in einem nicht minder drängenden Song namens „Refuge“ an.

Hier geht es um Flüchtlinge aus der arabischen Welt, aber auch die Sehnsucht ängstlicher Westler, wiederum selbst vor all dem gefühlten Chaos zu flüchten. Der Song verbindet nicht nur Bluesrock mit arabischen Exotica, ohne sich irgendwie weltmusikalistisch anzubiedern. Er stellt in einem spährischen Zwischenteil auch den syrischen Sänger Mazen Mohsen vor, der mit einem dramatisch-opernhaften Vokalteil den Song auf das nächste Level hebt, wo dann Sally Grayson mit ihrer beeindruckend präsenten Stimme übernimmt. Das alles wird im Booklet mit in arabischer Schrift abgefassten, grundsätzlichen Fragen begleitet – und bei der Release-Party am Samstag im Keller Klub mit einem halbstündigen Support-Gig von Mazen Mohsen.

Was Sally Grayson da abfeuert, ist natürlich alles zusammen großes Kino und auch für diese (mittlerweile „The Voice“-geschulte) Künstlerin eine neue Stufe. Dass man nach dem oben geschilderten Albumauftakt noch sieben weitere Songs zwischen elektrifizierter Americana („Down In Tennessee“), Südstaaten-Rock („Mannish Girl“) und Gospel („Sugar Mountain“) bekommt, ist hier noch gar nicht erwähnt.

Im Booklet schreibt Grayson, dass ihr Album viele kathartische Songs enthalte – im Sinne von Erlösung durch Lärm, Schmerz, Schrei. Black Swift sublimiert nicht, sondern schildert uns plakativ Bilder von ihrer und unserer Welt, sie stellt Fragen und gibt Anweisungen: „Stop! Stop! Stop! Stop! Stop the Stereo, Stop the Stereo, Stop the Stereoptype!“

Wer könnte richtigere Worte und Töne in Zeiten von Donald Trump und Fremdenhass finden als eine nach Deutschland emigrierte US-Amerikanerin? Dieses Album ist hier und jetzt genau richtig. Das wiederum ist noch vor all der aufwendigen Gestaltung der wichtigste Grund, es sich anzueignen.

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