Der evangelische Pfarrer Albrecht Hoch kümmert sich um Jugendliche aus seiner Gemeinde – bevorzugt in Netzwerken wie Facebook. Doch auf eine Erreichbarkeit rund um die Uhr legt der bekennende Technikfreak keinen Wert.

Psychologie/Partnerschaft: Nina Ayerle (nay)

Stuttgart - „Hallo Herr Hoch, was machen Sie?“ schreibt ein Schüler an Pfarrer Albrecht Hoch. „Ich arbeite. Und du?“, antwortet er. „Ich chille“ kommt es zurück. Eine Konversation, wie sie der Pfarrer der evangelischen Heilandskirchengemeinde im Stadtteil Berg fast täglich am Abend führt. Oft sei es Geplänkel, was die Jugendlichen ihm schreiben. „Oft checken sie aber auch ab, ob ich jemand bin, mit dem sie reden können“, ist sein Eindruck. Diese Chance biete er den Jugendlichen aus seiner Gemeinde. Ein Kontakt auf Augenhöhe will er sein, deshalb redet er mit den jüngeren Mitgliedern seiner Gemeinde dort, wo sie sich aufhalten – auf Facebook. Den Kontakt rege er nicht von selbst an, auch Freundschaftsanfragen verschickt er nicht. „Ich pirsche mich nicht ran“, betont er.

 

Schwarze Lackschuhe, schwarze Jeans, schwarze Baumwollzippjacke, darüber ein grau meliertes Jackett mit schwarzen Aufnähern an den Ellbogen – für einen Pfarrer ist Albrecht Hoch ziemlich leger gekleidet. An der linken Hand trägt er ein Armband auf dem die Abkürzung für „what would jesus do“ steht – „wwjd“. Ein Bändchen, wie es Jugendliche tragen, wenn sie auf einem Festival waren. Er wolle nicht auf Teufel komm raus auf jugendlich machen, sagt der 51-Jährige aber. „Das wäre ja peinlich.“ Gelegentlich redet er aber doch wie einer von seinen 1116 Facebook-Freunden. Dann zum Beispiel wenn er sagt, dass die meisten „Eltern nicht checken, was in ihren Kindern vorgeht“. Dafür will Albrecht Hoch ein Ersatz sein. Ein Ansprechpartner sein. „Oft ist es Seelsorge, die ich da auf Facebook mache“, ergänzt er.

Etwas geschafft nach sechs Stunden in der Schule

Montagnachmittag um 15 Uhr. Gerade eben ist der 51-Jährige aus der Schule gekommen. Ein bisschen geschafft fühle er sich danach immer, sagt er. Sechs Stunden Religion unterrichtet er jeden Montag an der Realschule Ostheim in allen Klassenstufen, von der fünften bis zur zehnten Klasse. Eine bestimmte Anzahl an Stunden Religionsunterricht ist für Pfarrer Pflicht. Viele wollen das nicht, kaufen sich frei, indem sie weniger Gehalt in Kauf nehmen. Albrecht Hoch möchte das nicht. „Ich habe nicht das Problem, dass die Schüler mir auf den Keks gehen“, sagt der Pfarrer.

Das ist aus seiner Sicht sogar noch stark untertrieben. Denn eigentlich fühlt er sich ganz wohl in seiner Rolle als Ansprechpartner für die Sorgen und Nöte der Jugendlichen. Jeden Tag kommen einige Kontakte dazu auf Facebook. Dabei gehört Albrecht Hoch mit seinen 51 Jahren wohl überhaupt nicht zum typischen „digital native“, dessen Leben von Sozialen Netzwerken bestimmt ist. „Ich war schon immer ein Computerfreak“ gesteht Hoch jedoch. Technische Geräte haben es ihm angetan. Nur sein Handy, das ist für heutige Verhältnisse ziemlich altmodisch. Er besitzt kein Smartphone. „Es muss mich nicht jeder immer anchatten können“, meint er. Auf seinem Handy will er deshalb nur für Notfälle erreichbar sein, wenn zum Beispiel jemand aus seiner Gemeinde im Sterben liegt.

Keine 24-Stunden-Erreichbarkeit

Wäre er immer erreichbar, würde er aus dem Chatten nicht mehr herauskommen, so befürchtet er. Denn rund 700 seiner Facebook-Freunde, so schätzt er, sind Jugendliche aus dem Stadtbezirk Stuttgart Ost oder der näheren Umgebung. Zum beliebten Chat-Partner wurde Hoch ungefähr vor fünf Jahren. Ein Schüler von ihm hatte Krebs und lag im Krankenhaus. Seine Stimmung habe zwischen Hoffnung und Verzweiflung geschwankt. Der Schüler wollte mit seinem Pfarrer sprechen. „Er hat mich gefragt, ob ich auch in Foren bin“, erzählt Hoch. Daraufhin habe er sich angemeldet und seitdem gemerkt, dass er die Jugendlichen viel besser erreichen kann, wenn er sich ebenfalls dort aufhält, wo sie sind.

Doch dies ist sicherlich nur ein Aspekt, warum Albrecht Hoch so gut mit den Jugendlichen kann. Der andere ist mit Sicherheit Hochs offene Art. Er erzählt selbst gerne, redet manchmal ohne Punkt und Komma und zeigt dabei, dass er sich nicht wie so manch anderer seines Berufsstandes nur mit der Theologie und mit der Kirche beschäftigt. Vor einigen Jahren hat er gemeinsam mit seinem Chorleiter die Veranstaltung „Gospel im Osten“ ins Leben gerufen. Der Andrang auf den Chor ist groß, rund 300 Sänger hat dieser inzwischen.

Hoch macht auch Kirchenferne wieder neugierig

Eigentlich will Hoch nicht nur Dinge tun, um die Menschen im Stuttgarter Osten gezielt zusammen zu führen oder sie gar in die Kirche locken. Doch über seine Facebook-Kontakte und über die Musik gelingt ihm dies erstaunlich gut. An Heilig Abend seien viele Menschen in die Kirche gekommen, die er zwar kannte, aber noch nie dort gesehen hatte. „Einige erzählten mir, sie seien seit 15 Jahren nicht mehr in der Kirche gewesen und nur hier, weil sie mich jetzt kennen“, erzählt Hoch.

Und dann ist da noch der Australische Schäferhund. Zehn Monate ist er alt und ganz aufgeweckt, dass er bellend hinter der Tür steht, wenn es bei Hoch im Pfarramt klingelt. Mit ihm spaziert Albrecht Hoch regelmäßig durch den Osten. „Mit einem Hund lernt man auf einmal ganz andere Leute kennen“, ist seine Erfahrung. Und die kommen dann auch alle in seine Kirche.