Der neue Möhringer Revierleiter Martin Rathgeb vertritt die dritte Generation seiner Familie bei der Stuttgarter Polizei. Seine Tochter Kathrin Rathgeb hat den Beruf ebenfalls ergriffen.

Lokales: Christine Bilger (ceb)

Stuttgart - Durch die Geschichte der Rathgebs zieht sich ein roter Faden: Seit vier Generationen zieht es immer wieder einen Vertreter der Stuttgarter Familie zur Polizei. Und wenn es auch nicht immer der erste Berufswunsch war, so sind doch alle glücklich mit ihrer Wahl. Nun hat Martin Rathgeb in Möhringen die Leitung des Polizeireviers Balinger Straße übernommen. In seinem Büro kommt das Familientreffen in Uniform für ein Gespräch mit unserer Zeitung zustande.

 

Alle finden auf Umwegen zum Traumberuf

Der Polizistensohn Günther Rathgeb (83) wollte eigentlich Bauingenieur werden. Aber die Zeiten waren hart nach dem Krieg, das Geld reichte bei vier Kindern nicht fürs Studium. Günther, der älteste der vier Brüder, ging zur Polizei. Günther Rathgebs Sohn Martin (50) hatte erwogen, Pfarrer zu werden. Da er jedoch katholisch ist und somit als Pfarrer keine Familie hätte gründen können, strich er diesen Wunsch und ging zur Polizei. Martin Rathgebs Tochter Kathrin (22) wollte eigentlich Modedesignerin werden. Aber kein Studiengang, keine Schule gefiel ihr so richtig. Da sagte der Vater: „Willst Du nicht mal bei der Polizei vorbeischauen?“ Mit Begeisterung ist nun auch Günther Rathgebs Enkelin bei der Stuttgarter Polizei – in vierter Generation. Schon die Urgroßväter Josef Rathgeb und Paul Seifert waren Polizisten in Stuttgart – zum Glück für die Rathgebs, die es sonst als Familie gar nicht gäbe. „Dadurch haben meine Eltern sich kennengelernt“, erzählt Kriminaloberrat Martin Rathgeb.

Vier Generationen – eine Berufung

Allein dass vier Generationen die gleiche Berufung zur Polizei geführt hat, ist schon außergewöhnlich genug. Doch es kommt noch hinzu, dass der Name Rathgeb nicht irgendein Name in der Stuttgarter Polizei ist. Auch wenn das Dienstende des heute 83-jährigen Günther Rathgeb bereits 23 Jahre her ist, kennt man ihn noch in der Landeshauptstadt – erst recht in der Polizei. Im Revier seines Sohnes kommt der Großvater nicht weit, ohne Hände zu schütteln und kurz zu plaudern: Günther Rathgeb war der Chef der Stuttgarter Schutzpolizei und gilt als der Erfinder der Einsatzkonzeption „Stuttgarter Linie“.

Auch wenn er das vehement abstreitet: „Das war doch nicht ich, ich hatte einen hervorragenden Stab, gemeinsam wurde das entwickelt“, ist er doch gleich mit Feuereifer dabei, diese Linie zu erläutern und mit der Enkeltochter, die noch in der Ausbildung ist, zu diskutieren. „Der Gegner muss keine Angst vor uns haben. Aber die Polizei muss berechenbar sein und klare Ansagen machen: Wenn eine bestimmte Grenze überschritten ist, passiert auch was“, erläutert der Großvater die Vorgehensweise. Sie wird häufig mit dem Merksatz zusammengefasst: „So viel Freiheit wie möglich, so viel Sicherheit wie nötig.“

Der Großvater Günther Rathgeb leitete früher die Schutzpolizei

Wie sich die Zeiten doch ändern, das kommt im Gespräch der drei Generationen klar zum Vorschein. Wie selbstverständlich leg Kathrin ihre Schutzweste an, wenn sie in den Dienst geht. „Ich hab sie dabei, ziehe sie aber erst an, wenn ich in den Einsatz muss“, sagt Martin Rathgeb, der mittlere. Der Großvater Günther ist fast ein bisschen traurig, dass solche Schutzmittel heutzutage unerlässlich sind. „Wir sind im Sommerhemd in den Dienst gegangen, das war noch möglich. Ich könnte das heute nicht mehr, was ihr machen müsst“, sagt er zur 22-jährigen Kathrin. „Es leidet keiner so darunter wie ich, dass bald jeder Einsatzbericht damit endet, wie viele Polizisten verletzt wurden“, fügt er hinzu. Ebenso wie den Rat, den der Sohn schon für seine Arbeit verinnerlicht hat: „Wenn der Bürger das Gefühl hat, er kann Dich ansprechen, dann hast Du ihn an Deiner Seite, das sag ich Dir. Du brauchst den Bürger“, sagt der Opa zur Enkeltochter. „Wir müssen Kümmerer sein“, so nennt das Martin Rathgeb. Die 22-jährige Katrin Rathgeb nickt, gibt beiden recht, manche Grundsätze gelten über Generationen hinweg. „Trotzdem höre ich im Revier immer wieder den Satz: Wie bei Deinem Opa machen wir es heute aber nicht mehr“, berichtet die junge Frau in Uniform.

„Ihr lernt ja auch heute viel mehr und andere Sachen“, sagt dazu der Großvater. Die Ausbildung bei ihm sei noch „sehr militärisch geprägt, kaum mit Theorie“ gewesen. Das sei bei der Enkeltochter nicht mehr so. Was sich jedoch nicht geändert habe, bringt der Großvater auf den Punkt, und diesmal nicken alle: „Der Polizeiberuf ist ein Erfahrungsberuf. Man muss ihn machen, das lernt man nicht in der Schule.“