Kojoten sind sich ein Leben lang treu, Blaumeisen gehen gerne fremd. Forscher suchen nach den Gründen, warum das Fremdgehen im Tierreich eher die Regel ist und warum es einige wenige bemerkenswerte Ausnahmen gibt.

Stuttgart/Chicago - Wieder geht ein Klischee zu den Akten: Da war der Kojote so lange als listenreicher Trickser und Betrüger durch die Geschichten der nordamerikanischen Ureinwohner gegeistert. Und nun schildern ihn Biologen der Ohio State University geradezu als Musterbeispiel an Aufrichtigkeit – zumindest in Beziehungsfragen. Seinen Partner zu betrügen kommt für den amerikanischen Verwandten von Wolf und Hund offenbar nicht infrage. Jedenfalls konnte in einer mehrjährigen Studie an Kojoten im Großraum Chicago kein einziger vierbeiniger Fremdgeher überführt werden, berichten Stan Gehrt und seine Kollegen im Fachblatt „Journal of Mammalogy“.

 

Ein solcher Hang zur Treue scheint aber im Tierreich eher die Ausnahme zu sein. Woher kommt dieses ungewöhnliche Verhalten? Und was motiviert andere Arten umgekehrt dazu, sich mit mehreren Partnern einzulassen? Sich überhaupt für ein Leben mit einem einzigen festen Partner zu entscheiden ist unter Säugetieren sehr unüblich. Ein solches Faible für Zweisamkeit haben nur etwa drei bis fünf Prozent der Arten entwickelt, darunter auch die Hundeverwandtschaft. Nur bedeutet eine „offizielle“ Paarbeziehung eben auch in Hundekreisen nicht unbedingt, dass man sich in sexueller Hinsicht treu ist. Mit Hilfe  von Vaterschaftstests haben Wissenschaftler schon etliche Vertreter dieser Raubtierfamilie vom Polarfuchs über den Äthiopischen Wolf bis zum Afrikanischen Wildhund des Ehebruchs überführt.

„Ich war deshalb sehr überrascht, dass wir in unserer Studie überhaupt keine Betrügereien entdeckt haben“, sagt Stan Gehrt. „Obwohl die Tiere reichlich Gelegenheit zum Flirten haben, machen sie es einfach nicht.“ Die Kojotenpaare, die er und seine Kollegen mit Hilfe von Sendehalsbändern überwacht haben, blieben vielmehr bis zu zehn Jahre lang zusammen. Ein Blick ins Erbgut von 236 Tieren zeigte, dass sämtliche Jungtiere tatsächlich von ihren offiziellen Vätern abstammten.

Viel Nachwuchs verlangt verlässliche Partner

Diese engen Beziehungen, die meist erst mit dem Tod eines der beiden Partner enden, könnten die Chicagoer Kojoten nach Ansicht der Forscher besonders fit fürs Stadtleben machen. Denn in der Nachbarschaft des Menschen finden die Tiere reichlich Futter, so dass die Weibchen mitunter zehn Welpen auf einmal bekommen. „Einen so großen Wurf aber könnten sie unmöglich allein aufziehen“, erläutert Stan Gehrt. Das geht nur zusammen mit einem festen Partner.

Diesen Vorteil der Paarbeziehung wissen auch andere Tiere zu schätzen. Bei Vögeln etwa ist diese Art des Zusammenlebens eher die Regel als die Ausnahme. „Rund 95 Prozent der Vogelarten setzen auf eine feste Partnerschaft“, schätzt Bart Kempenaers vom Max-Planck-Institut für Ornithologie in Seewiesen. Trotzdem ist Fremdgehen in Vogelkreisen ein großes Thema. Nur bei wenigen Arten wie etwa Schwänen haben Ornithologen bisher keine Hinweise auf Seitensprünge gefunden. Selbst die als besonders treu geltenden Albatrosse haben ein paar Betrüger in ihren Reihen. Allerdings lassen sich bei diesen großen Meeresvögeln vielleicht ein bis fünf Prozent der Weibchen auf eine Affäre ein, bei Meisen dagegen ist es etwa die Hälfte. Und es gibt noch krassere Fälle. „Zu den Rekordhaltern in Sachen Untreue gehören die Prachtstaffelschwänze in Australien“, sagt Bart Kempenaers. In den Nestern dieser kleinen Singvögel stammen mehr als 80 Prozent der Küken von fremden Vätern.

Zwar versuchen viele Männchen, Betrugsversuche zu unterbinden – etwa, indem sie sämtliche Rivalen aus ihrem Revier werfen oder ihre Partnerinnen während der fruchtbaren Tage kaum aus den Augen lassen. Doch entschlossene Betrügerinnen finden trotzdem eine Gelegenheit.

Der Seitensprung als Versicherung

Was aber treibt Weibchen dazu, sich mit Fremden einzulassen? Bei den Männchen ist die Sache ziemlich klar: Gefiederte Casanovas erzielen ohne große Mühe einen beeindruckenden Fortpflanzungserfolg. Bart Kempenaers weiß von einem Blaumeisenmännchen, das neben zehn Nachkommen im eigenen Nest auch noch 15 weitere in fremden Kinderstuben verteilt hatte. Und um letztere musste es sich nicht einmal kümmern. Was die Weibchen motiviert, ist dagegen nicht so leicht zu durchschauen. „Es gibt dazu mehrere heiß diskutierte Theorien“, sagt der Forscher.

Eine davon sieht den weiblichen Seitensprung als eine Art Versicherung gegen Unfruchtbarkeit. Auffälligerweise scheint es nämlich einen Zusammenhang zwischen Treue und Lebenserwartung zu geben: Langlebige Vögel wie Albatrosse und Schwäne sind meist besonders treu. Blaumeisen dagegen werden oft nur ein Jahr alt und müssen daher die gesamte Fortpflanzung innerhalb einer einzigen Saison abwickeln. Da wäre es fatal, wenn sich der gewählte Partner als unfruchtbar erwiese.

Selbst ein fruchtbarer Partner muss allerdings nicht unbedingt ein Traumprinz sein. Auf dieser ernüchternden Tatsache basiert eine zweite Theorie, die Wissenschaftler die „Gute-Gene-Hypothese“ nennen. So manches Weibchen muss sich demnach mit einem Partner zweiter Wahl begnügen. Dann bleibt ihm aber immer noch die Möglichkeit, per Seitensprung einen genetisch besser ausgestatteten Vogel zum Vater seines Nachwuchses zu machen.

Für diese These spricht zum Beispiel, dass sich Vogelweibchen oft auf Affären mit Männchen einlassen, die älter sind als ihr eigentlicher Partner. Diese haben schließlich schon bewiesen, dass sie den Gefahren des Alltags trotzen können. Es gibt allerdings keinen eindeutigen Beweis dafür, dass der außereheliche Nachwuchs bessere Zukunftschancen hat als der mit dem eigenen Partner gezeugte. „Deshalb kommt die Gute-Gene-Hypothese gerade ein bisschen aus der Mode“, sagt Bart Kempenaers.

Die Untreue in den Genen?

Stattdessen favorisieren etliche Forscher eine neue Theorie, nach der weibliche Seitensprünge ein genetisches Nebenprodukt der männlichen sind. „Der Hang zum Fremdgehen scheint tatsächlich eine genetische Grundlage zu haben“, bestätigt Kempenaers. Zusammen mit Kollegen hat er das zum Beispiel bei Zebrafinken nachgewiesen. Geschwister zeigten bei diesen Vögeln immer eine ähnlich starke oder schwache Vorliebe für außerehelichen Sex – selbst wenn sie als Küken in unterschiedlichen Nestern aufgewachsen waren.

Wie die „Seitensprung-Gene“ aussehen und funktionieren könnten, weiß bis jetzt niemand. Klar ist aber: wenn es sie gibt, werden sie an Männchen und Weibchen gleichermaßen vererbt. Dieser Theorie zufolge genügt es also, wenn die Männchen einen Vorteil von ihren betrügerischen Aktivitäten haben. Dann breitet sich der Hang zum Ehebruch in der Population aus, und die Weibchen erben ihn gleich mit. Auch wenn sie selbst nicht davon profitieren.

Welche dieser Theorien die Evolution des Seitensprungs am besten erklärt, ist umstritten. Jedenfalls scheint dieses Verhalten eine Menge Vorteile zu haben. Wenn man dabei erwischt wird, kann es allerdings unangenehm werden. Manche betrogenen Vögel verprügeln ihre untreuen Partner regelrecht, andere verlassen sie oder engagieren sich nicht mehr bei der Betreuung der Küken. Diese Risiken sind manchmal wohl größer als die Vorteile. Und genau das könnte der Grund sein, dass die Treue im Laufe der Evolution doch nicht ganz verschwunden ist. Bei den Chicagoer Kojoten scheint jedenfalls die Devise zu gelten: Fremdgehen? Lohnt sich nicht!

Flexible Jäger: Kojoten

Raubtier
Der Kojote Canis latrans ist eine nordamerikanische Raubtierart aus der Familie der Hunde, die von Alaska bis nach Costa Rica vorkommt. Äußerlich erinnern die gut einen Meter langen und durchschnittlich 14 Kilogramm schweren Tiere an kleinere Wölfe. Sie leben paarweise oder in Rudeln.

Lebensraum
Kojoten sind äußerst anpassungsfähige Tiere. Sie kommen in den verschiedensten Lebensräumen vom dichten Wald bis zur offenen Prärie zurecht. Kojoten fühlen sich aber auch in der Nähe des Menschen wohl. In den USA haben sie auf der Suche nach Beute inzwischen sämtliche Metropolen erobert.

Speiseplan
Allein in Chicago soll es zwischen 1000 und 2000 Exemplare geben, die gern die Mülltonnen nach Fressbarem durchstöbern. Ansonsten besteht die Kost der Kojoten aus selbst erlegter Beute wie Mäusen und Hasen sowie aus Aas und zwischendurch ein paar Früchten und Beeren als Beilage.