"Integrated Urbanism and Sustainable Design" ist nur einer von vielen stark spezialisierten Studiengängen in Stuttgart. Macht das differenzierte Studienangebot Sinn? Klar ist: So mancher angehender Student hat damit zu kämpfen.

Stuttgart - Das Studienangebot in Stuttgart und ganz Deutschland steigt kontinuierlich und differenziert sich aus. Doch ist es sinnvoll, vermehrt spezialisierte Studiengänge anzubieten? Oder artet der Wildwuchs an Studienfächern allmählich aus?

 

Alle Erstsemester des kommenden Wintersemesters standen vor ihrer Einschreibung vor der Entscheidung, auf welchen Studiengang sie sich bewerben möchten. Im Wintersemester 2007 konnte man sich in Deutschland zwischen 11.265 Studiengängen entscheiden. Bis zum Wintersemester 2015 stieg das Angebot bereits auf rund 18.000 Studiengänge an. Zu diesem Ergebnis kommt eine Untersuchung der Hochschulrektorenkonferenz. Allein an den Stuttgarter Hochschulen werden laut Angaben des Wissenschaftsministeriums 332 Studiengänge angeboten. Bei dieser hohen Anzahl muss sich ein Studienwilliger erst einmal orientieren.

Laut der Stuttgarter Agentur für Arbeit fällt dies vielen Schülern und Abiturienten schwer. „Allein für den Studiengang, der früher einmal schlicht Betriebswirtschaft hieß, gibt es mittlerweile eine Vielzahl an wohlklingenden modernen Namen, die oft nicht auf Inhalte schließen lassen“, heißt es aus der Pressestelle. Für die Schüler bedeute das konkret, dass sie sich statt über ein bis drei Betriebswirtschafts-Studienrichtungen mittlerweile über 40-50 informieren müssten. Die Eltern können den Erfahrungen der Agentur nach nur selten helfen. Da sie, wenn überhaupt, vor dem Bologna-Prozess studierten, seien den meisten nur die früheren grundständigen Studiengänge ein Begriff. Berufsberatungsangebote wie das der Stuttgarter Agentur für Arbeit hilft den Abiturienten, die Fülle der Studiengänge einzugrenzen.

Woher kommen die vielen Studiengänge?

Die schwierige Entscheidung für Schüler ist das Eine, doch auch nach dem Studium sind Studenten von sogenannten Orchideenstudiengängen auf dem Arbeitsmarkt im Nachteil. „Es ist durchaus zu beobachten, dass Absolventen von exotischeren Studiengänge sich mehr Mühe geben müssen, einem zukünftigen Arbeitgeber zu erklären, was er oder sie aus dem Studium mitbringt“, schreibt die Pressestelle der Universität Stuttgart.

Sie bestätigt, dass die Zahl der Studiengänge nach oben geht. Dieses Phänomen wird häufig dem Zuwachs an exotischen Studienfächern zugeschrieben. Doch dahinter verbergen sich mehrere Gründe, wie die CHE-Studie des Centrums für Hochschulentwicklung zeigt. Durch den Bologna-Prozess entstanden allein dadurch mehr Studiengänge, dass Magister- oder Diplomfächer in einen Bachelor und einen Master aufgeteilt wurden. Außerdem sind einige Ausbildungsberufe mittlerweile akademisiert, wie zum Beispiel frühere Berufe aus der Landwirtschaft. Die Universität Hohenheim bietet hier eine breite Hochschulausbildung an. Ein weiterer Grund für die gestiegene Studienfachzahl ist die Verbindung von Disziplinen, die früher getrennt waren.

Uni Stuttgart ist für sinnvolle Spezialisierungen

Die Entwicklung, dass es immer mehr Studiengänge gibt, bewertet die Universität nicht per se als schlecht: „Es entstehen ja auch neue Wissenschaftsdisziplinen, und Disziplinen vernetzen sich neu“. Als Beispiel führt sie den neuen Studiengang Digital Humanities an, den die Universität Stuttgart anbietet. Er verbindet die Bereiche Informatik und Geisteswissenschaft. Gegen eine sinnvolle Verknüpfung von Disziplinen spreche nichts. Doch laut Pressestelle stehe die Universität dem Trend kritisch gegenüber, für jedes neue Berufsfeld „einen eigenen Studiengang mit modischem Namen anbieten zu wollen“.

Auch der Wissenschaftsrat sieht die „hohe Ausdifferenzierung und Spezialisierung der Studiengänge im Bachelorbereich sehr kritisch“. Der Rat berät die Bundesregierung und die Länderregierungen in den Bereichen Forschung, Hochschulen und Wissenschaft. In einem Empfehlungsschreiben vom Oktober 2015 appellierte er, die Hochschulen sollten sich besser auf fachlich breit angelegte Studiengänge beschränken, die den Studierenden einen Überblick über die gesamte Disziplin böten. Bachelorprogramme sollten nicht „durch Überspezialisierung den Berufseinstieg und die berufliche Entwicklung erschweren“.

Spezialisierung in Maßen

„In der Tat hat in den letzten Jahren die Studiengangsvielfalt an den Hochschulen zugenommen“, bestätigt auch das Ministerium für Wissenschaft des Landes Baden-Württemberg.

Es sei grundsätzlich positiv, dass sich im Rahmen der Bologna-Reform, also der Umstellung auf das Bachelor-Master-System, manche Studiengänge stärker an die Nachfrage des Arbeitsmarkts angepasst hätten. Trotzdem sieht das Ministerium extreme Spezialisierungen kritisch: „Wissen Studierende eines ingenieurwissenschaftlichen Studiums nicht mehr, dass sie sich nach erfolgreichem Abschluss als Ingenieure bezeichnen dürfen, ist die Studiengangsbezeichnung sicher zu spezialisiert.“

Wichtig sei es außerdem, einfache Übergänge vom Bachelor zum Master beizubehalten. Um jungen Menschen diese Entscheidung zu erleichtern, was sie studieren sollen, gab das Land Baden-Württemberg im Mai 24 Millionen Euro für Beratungsangebote frei.

Doch was bedeuten die neumodischen Namen für teils kuriose Studiengänge denn nun? Im Angebot der Universität Stuttgart und der regionalen Hochschulen stehen den Studenten zum Beispiel die Studiengänge "Intra- und Entrepreneurship" (Hochschule der Medien) oder "Digital Humanities" (Universität Stuttgart) zur Auswahl. Und was lernt man bei "Computational Linguistics" (Universität Stuttgart) oder "Photogrammetry and Geoinformatics" (Hochschule der Technik)?

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