Gefordert werden neue Wohnformen für Senioren schon lange, getan hat sich bisher nur wenig. Zunächst müsste das Heimrecht modernisiert werden.

Lokales: Mathias Bury (ury)

Stuttgart - Henning Scherf, der frühere Oberbürgermeister von Bremen, hat das Thema vor geraumer Zeit in die Öffentlichkeit getragen, als er sich entschieden hat, in einer Senioren-WG zu leben. Seit Längerem fordern Fachleute, dass es neue Wohnformen für Menschen im Alter geben müsse, zwischen der klassischen ambulanten Betreuung zu Hause und der im Pflegeheim. Getan hat sich wenig. Die Hürden durch das Heimgesetz und das Leistungsrecht sind zu hoch, wie ein Fall in Stuttgart zeigt.

 

Die Wohnung an der Schozacher Straße in Zuffenhausen-Rot ist hell und großzügig gestaltet, nach hinten gibt es Zugänge zum Garten. Die neun Zimmer gruppieren sich um eine geräumige Wohnküche, den Ort des geselligen Miteinanders, hier wird gemeinsam gekocht und gegessen. Den Senioren stehen rund um die Uhr „Alltagsbegleiter“ zur Seite, die Pflege übernehmen Fachkräfte von außerhalb. Die Einrichtung der Else-Heydlauf-Stiftung soll den Menschen bis zu ihrem Lebensende ein Zuhause bieten. Selbst wenn sich ihr Gesundheitszustand später verschlechtern sollte, sollen sie nicht ins Pflegeheim müssen.

„Das ist nicht gerecht“

Die Wohngemeinschaft ist für das Wohlfahrtswerk für Baden-Württemberg, zu der die Heydlauf-Stiftung gehört, ein Vorzeigeprojekt, aber auch die Ursache eines juristischen Streits. Die Einrichtung unterliegt zwar der Heimaufsicht, nach dem Leistungsrecht gilt sie aber als ambulante Versorgungsform. Alte Menschen, die hier nach Pflegestufe 1 betreut werden, erhalten von der Kasse 450 Euro im Monat, im Heim dagegen 1023 Euro.

„Das ist nicht gerecht“, sagt Ingrid Hastedt, die Vorstandsvorsitzende des Wohlfahrtswerks. Die Anträge bei den Kassen, als „Kleinstpflegeheim“ anerkannt zu werden oder als Versorgungseinheit mit dem wenige Hundert Meter entfernten Pflegeheim der Stiftung, sind abgewiesen worden. Die Heimaufsicht hat für die WG, so sie das Prädikat stationär erhalten will, zur Auflage gemacht, dass auch nachts eine Fachpflegekraft vor Ort sein muss.

Ingrid Hastedt plädiert angesichts der gesellschaftlichen Veränderungen für innovative Betreuungsangebote für Senioren. Dies aber setze die Novellierung eines Gesetzes voraus, dessen Grundlage noch aus den 70er Jahren stamme. „Wir müssen dass Heimrecht der heutigen Struktur anpassen und die Regulierungen mit Abstufungen versehen“, sagt die Vorstandsvorsitzende des Wohlfahrtswerks.

Wachsender Bedarf für neue Wohnformen

Fachleute wie Theresa Rütten, die Leiterin des Bürgerservice im Alter der Landeshauptstadt, sehen das ähnlich. „Das Heimrecht müsste erweitert werden, dass wenigstens Modellprojekte möglich wären.“ Der Tatsache, dass die Menschen im Alter nicht alleine sein, aber in einer häuslichen Umgebung bleiben wollten, sei von der Politik noch nicht entsprochen worden. Für Wohngemeinschaften gebe es „fast keine Fördermöglichkeiten“, so Rütten.

Dass es für neue Wohnformen für alte Menschen einen wachsenden Bedarf gibt, stellt man bei der städtischen Wohnungsbaugesellschaft SWSG seit einiger Zeit fest. „Das ist im Kommen, dass Senioren sagen: Wir möchten eine WG machen“, erzählt Peter Steudler, der Abteilungsleiter Sozialmanagement. Diese hat etliche Objekte mit seniorengerechten Wohnungen und mit betreutem Wohnen, zusammen fast 530 Einheiten. Alten-WGs gibt es bei der SWSG aber noch nicht. „Da müssen politisch endlich klare Vorgaben gemacht werden“, sagt Steudler. Die Erfahrung des Sozialmanagers ist: „Das klingt alles einfach, ist in der Umsetzung aber sehr schwierig. Da gibt es viele Illusionen.“ Die Fallstricke, die Steudler sieht, betreffen das Mietverhältnis, den Pflegeträger und die Heimaufsicht.

Baden-Württemberg hinkt hinterher

Dass Baden-Württemberg bei dem Thema im Vergleich zu einigen anderen Bundesländern hinterherhinkt, sagen viele. Dabei hatte schon die frühere CDU-Sozialministerin Monika Stolz angesichts „der noch oft vorherrschenden strikten Trennung zwischen ambulantem und stationärem Versorgungsbereich“ zumindest theoretisch ein „neues Denken“ gefordert.

Im jetzt SPD-geführten Sozialministerium ist man nun auf dem Weg zu einer Novellierung des Heimrechts, in dem auch „neue, selbstbestimmte Wohnformen“ eine Rolle spielen sollen, sagt eine Sprecherin. „Die WG ist da eine der Möglichkeiten.“ Man sei mit der Ausgestaltung aber noch nicht so weit. „Das ist noch zu früh.“

In Berlin hat FDP-Gesundheitsminister Daniel Bahr kürzlich einen Vorstoß gemacht, der zumindest für trägerfreie Wohngemeinschaften eine Förderung verspricht. So sollen als Alternative zur stationären Pflege „selbst organisierte Wohnformen“ unterstützt werden. Insgesamt 30 Millionen Euro sind dafür vorgesehen. So werden etwa für Umbauten im Bad bis zu 2500 Euro pro Kopf in Aussicht gestellt. So könnten bei einer Vierer-WG zusätzlich 10 000 Euro zusammenkommen.