Der Erwin-Schoettle-Platz ist umringt von historischen Gebäuden wie dem Alten Feuerwehrhaus und der Matthäuskirche. Boule spielende Herren und das Afrika-Festival verleihen ihm einen südländischen Charme.

Psychologie/Partnerschaft: Nina Ayerle (nay)

S-Süd - Eigentlich sind sie immer da, ob im Sommer oder im Winter, ob bei 40 Grad im Schatten oder bei Nieselregen im November. Der Erwin-Schoettle-Platz wäre nicht der Erwin-Schoettle-Platz ohne die Boule spielenden älteren Herren. „Meistens spielen sie täglich. Bis es Schnee hat“, sagt Siegfried Schwenzer. An diesem grauen Oktobernachmittag ist jedoch nicht viel Betrieb. Nur vier Herren sind am Platz, sitzen aber nur auf einer Bank und unterhalten sich. Die meisten von ihnen kennt Schwenzer. Einmal im Jahr trifft sich hier sogar die Stuttgarter Boule-Community zu einem Turnier. „Da herrscht immer eine gechillte Atmosphäre“, findet Schwenzer.

 

Ein bunt gemischtes Völkchen unter Bäumen

Er hält sich ebenfalls sehr gerne auf diesem „schönsten Platz im Stuttgarter Süden“ auf, wie er ihn nennt. „Hier ist immer ein ganz bunt gemischtes Völkchen unterwegs“, sagt er. Er selbst liebe das Wasserspiel und vor allem die Bäume. „Meine Bäume“, sagt er verzückt. Siegfried Schwenzer ist ja ein bisschen so etwas wie der Hausherr am Erwin-Schoettle-Platz. Ihm gehört zumindest das größte Haus vor Ort. Streng genommen gehört es natürlich der Evangelischen Kirche, aber Schwenzer ist der geschäftsführende Pfarrer der Kirchengemeinde Stuttgart-Heslach.

Der 56-jährige evangelische Theologe ist beruflich wie privat am Erwin-Schoettle-Platz zu Hause. Er wohnt direkt hinter dem Generationenhaus Heslach, während seiner Arbeitszeit ist er natürlich häufig in der Kirche, und seine Freizeit verbringt er gerne nebenan in der Sakristei. Das ist nicht etwa der Nebenraum seiner Kirche, sondern die verrauchte kleine Gaststätte an der Eierstraße 17. Die Sportsbar Sakristei am Rande des Erwin-Schoettle-Platzes ist ein beliebter Treffpunkt der Heslacher VfB-Fans. „Allerdings muss man nach dem Besuch duschen“, bedauert Schwenzer. Es wird ordentlich gequalmt dort.

Die Matthäuskirche wurde einst von der Stadt erbaut

Am liebsten hält sich der Pfarrer in seiner Kirche auf. Mit den Worten „zurück zu meinem Werbeblock“ fährt Schwenzer denn auch fort: „Die Matthäuskirche ist das entscheidende Bauwerk am Platz.“ Erbaut wurde sie von 1876 bis 1881 von dem Stadtbaurat Adolf Wolff im Auftrag der damaligen Stadtgemeinde Stuttgart. Erst zehn Jahre später ging das Bauwerk in den Besitz der Kirche über. Im Laufe der Jahre hat sich unter den Südbewohnern die liebevolle Bezeichnung „Heslacher Dom“ durchgesetzt. Selbstverständlich ist die Matthäuskirche die schönste, größte und architektonisch bedeutsamste Kirche im Stuttgarter Süden, insgesamt aber halt natürlich nicht ganz so groß, dass es für den Namen Dom gereicht tatsächlich hätte. „Wir wissen ja natürlich auch, dass es eigentlich kein Dom ist“, sagt Schwenzer.

Als die Kirche im vorvergangenen Jahrhundert erbaut wurde, war ihre Umgebung ein inselartiger Platz zwischen den beiden Teilen der Möhringer Straße. Lange führte die viel befahrene Bundesstraße an der Kirche vorbei durch den Süden in Richtung Vaihingen. Erst mit der Eröffnung des B-14-Tunnels kehrte rund um die Matthäuskirche ein bisschen Ruhe ein. Zeitgleich erhielt der Platz auch endlich einen richtigen Namen – im Gedenken an den Sozialdemokrat und langjährigen Herausgeber der Stuttgarter Nachrichten Erwin Schoettle. Bis 1992 war das Areal schlicht als „Schreiberplatz“ bekannt.

Ein Platz für alle Bürger im Süden

Vor mehr als 100 Jahren stand die Kirche, welche von 2009 bis 2011 umfassend renoviert wurde, inmitten des Platzes. Diese Szenerie will der Stuttgarter Architekt und Stadtplaner Andreas Nölle schon lange wieder herstellen. „Die Matthäuskirche gehört in einen Platz, nicht an dessen Rand“, sagte Nölle vor mehr als einem Jahr im Bezirksbeirat Süd. Eigentlich hätten die Arbeiten dafür, der sogenannte vierte Bauabschnitt, schon Mitte dieses Jahres beginnen sollen. Martin Frech vom Stuttgarter Tiefbauamt rechnet allerdings erst im kommenden Frühjahr mit einem Baubeginn. Der Bezirksbeirat hatte sich in seiner Sitzung damals einen Platz für alle Bürger gewünscht. Die Wählervereinigung Die Stadtisten hat im Oktober vergangenen Jahres bereits einen Aktionstag veranstaltet, bei dem Eltern und Kinder ihre Wünsche für den Ort äußern konnten.

Auch Constantin Gaitanidis wünscht sich mehr Leben vor seinem Restaurant Südlage. „Es ist jetzt schon mit einer der schönsten Plätze in der ganzen Stadt“, sagt er. Die hohen Bäume, die Kirche und die Bocciaspieler verleihen aus seiner Sicht dem Erwin-Schoettle-Platz einen mediterranen Touch. Einmal im Jahr wird es sogar noch südlicher: wenn der Verein Afrikafestival sein dreitägiges Musik- und Kulturfestival veranstaltet, das längst nicht nur für die Bürger im Süden, sondern für die ganze Region zu einem Highlight geworden ist.

Nicht alles soll am Marienplatz stattfinden

Gaitanidis wünscht sich mehr solcher Feste. „Es ist schade, dass inzwischen alles am Marienplatz ist.“ Maibaum, Wochen- und Flohmarkt, Marienplatzfest – alles findet dort statt. „Man könnte das schon auf mehrere Plätze verteilen“, sagt der Gastronom. Gemeinsam mit dem Afrika-Festival ist er vor 12 Jahren gestartet. Seine Cocktail-Bar Mosquito hat er vor knapp drei Jahren saniert und mit neuem Konzept und neuem Namen wiedereröffnet. „Ich glaube, mit der Südlage haben wir etwas geschaffen, was gefehlt hat“, sagt der gebürtige Grieche, der über seiner Gaststätte wohnt.

Gastronomie zieht Menschen an, davon ist Gaitanidis überzeugt. Für Heslach wünscht er sich deshalb mehr kreative Konzepte, zum Beispiel ist er gespannt auf die Neueröffnung im früheren Ochsen am Bihlplatz. Direkt gegenüber von seinem Lokal, im einstigen Alpen-Döner, solle auch etwas Neues entstehen. Das hat Gaitanidis gehört. Genaueres weiß er noch nicht. Er könnte sich irgendwas Veganes, Vegetarisches, Streefood-mäßiges vorstellen. „Das würde hierher passen“, findet er.