Handwerk hat goldenen Boden, heißt es immer. Doch viele einst weitverbreitete Berufe sind selten geworden. Manuela Wörth betreibt in Göppingen nach wie vor eine Lederschneiderei.

Region: Andreas Pflüger (eas)

Göppingen - Wenn in Göppingen über die Leder-Manuela gesprochen wird, geht es in keiner Weise um irgendwelche Anzüglichkeiten. Vielmehr ist dann die Rede von etwas Anziehbarem – oder von Taschen und Gürteln, von Geldbeuteln und ähnlichen Utensilien. Seit zwölf Jahren betreibt Manuela Wörth in der Freihofstraße die weithin einzige Leder-Schneiderei. Ihre Kunden kommen daher nicht nur aus dem Stauferkreis, sondern auch aus dem Stuttgarter Raum, aus Ulm oder aus Aalen.

 

Die 50-jährige Bayerin arbeitet in ihrem Traumberuf: „Ich wusste bereits von der ersten Klasse an, dass ich Schneiderin werden möchte.“ Schon ihre Oma habe geschneidert, und einige andere in der Familie ebenfalls, erklärt sie. „Ich war aber die einzige, die das wirklich gelernt hat“, fügt Manuela Wörth hinzu. Dass sie dabei beim Leder gelandet ist, war hingegen eher ein Zufall, wurde aber schnell zur Leidenschaft. Im bis heute existierenden Atelier von Jana Cisar in München wurden ihr alle Kniffe des Handwerks gezeigt, das es seit dem 12. Jahrhundert gibt.

Wörth: Leder ist ein heikles, aber faszinierendes Material

„Mich hat einfach dieses heikle Material fasziniert, das zum Schneidern sehr anspruchsvoll ist. Stoff ist eben ein gleichmäßiges Gewebe, während Leder eine Haut mit all ihren Unregelmäßigkeiten ist.“ Sowohl beim Herstellen wie auch beim Flicken sei große Sorgfalt vonnöten. „Man muss stets in dieselbe Naht reinkommen, was nicht immer einfach ist.“ Tatkräftige Unterstützung bekommt Manuela Wörth dabei von ihrem „liebsten Stück“. Dieses steht in ihrem Laden, hört auf den Namen „Adler“, hat mehr als 30 Jahre auf dem Buckel, scheint aber unkaputtbar zu sein.

Erst ein einziges Mal habe sie die Nähmaschine reparieren lassen müssen, erzählt die Lederscheiderin. „Da wurde der Zahnriemen ausgetauscht. Das ist halt ein Verschleißteil, wie beim Auto“, ergänzt sie mit einem Achselzucken. Gegen eine modernere Nähmaschine eintauschen würde Manuela Wörth, die es der Liebe wegen in den Raum Göppingen verschlagen hat, ihre „Adler“ aber ohnehin nicht. Das sei noch echte Qualität, die es mittlerweile einfach nicht mehr gebe, betont sie .

Auf Qualität setzt die stets entspannt wirkende Frau aber auch, was ihre eigene Arbeit und ihre Produkte angeht. Ihr Rohmaterial sucht sie sich auf Messen stets selbst aus – und schwört dabei auf heimische Häute. „Was da in manchen Ländern hergestellt wird, hat mit Natur nicht mehr viel zu tun. Zur Verarbeitung und Behandlung werden da oft Chemikalien eingesetzt, die bei uns gar nicht erlaubt sind.“ Konfrontiert ist Manuela Wörth mit diesem Leder dennoch gelegentlich. „Für Änderungen oder solche Arbeiten nehme ich das schon an“, sagt sie. Durch die Dämpfe, die dabei freigesetzt würden, könne es aber durchaus einmal zu Unwohlsein kommen.

Qualitätsarbeit wird von den Kunden geschätzt

Dass ihre Erzeugnisse aus diesen Gründen teurer sein müssen als die Ware von der Stange, nimmt die Lederschneiderin deshalb in Kauf. „So gesehen habe ich aber natürlich einen schweren Stand, verglichen mit Aldi & Co., bei denen eben irgendwelches Zeugs aus China oder Bangladesch in den Regalen liegt.“ Sie müsse oft schon für ihr eingekauftes Leder mehr bezahlen, als dort für die gesamten Produkte. „Ich kann und will da aber gar nicht mithalten“, sieht Manuela Wörth keinen Grund zur Klage.

Das Problem sei ohnehin allgemein zu betrachten, fährt sie fort. „Überall wird doch geklagt, dass die kleinen und individuellen Geschäfte aus den Städten verschwinden. Wenn man allerdings auf die Ladenmieten schaut und darüber hinaus auf die fehlende Unterstützung von politischer Seite für die ganzen Kleinen, muss sich doch niemand wundern, wenn es keine Vielfalt mehr gibt.“ Sie habe in dieser Hinsicht großes Glück, nicht zuletzt, weil ihre Arbeit von den Kunden geschätzt werde. „Die sind alle heilfroh, dass es mich gibt, und hoffen, dass ich das noch lange mache“, erklärt Manuela Wörth. Davon ist zumindest so lange auszugehen, wie ihre Leidenschaft für Leder anhält und ihr „liebstes Stück“ seinen Geist nicht aufgibt.