Geislingen habe eine erstaunlich frühe Orgeltradition, sagt der frühere Stadtarchivar Karlheinz Bauer. Er hat die Orgelgeschichte der Geislinger Stadtkirche von ihren Anfängen an minutiös untersucht.

Geislingen - Mit einem sehr speziellen Thema befasst sich Karlheinz Bauer im 19. Band des Historischen Jahrbuchs für den Landkreis Göppingen. Er widmet sich auf 31 Seiten der Orgelgeschichte der Geislinger Stadtkirche. Dabei zeigt er die Verflechtung mit lokalen Ereignissen auf und entfaltet nebenbei ein Kaleidoskop des jeweils herrschenden Klang-Geschmacks. Gleichzeitig vermittelt er einen Eindruck von der Blüte des Orgelbaus in der Region rund um Geislingen.

 

Jede Epoche hatte andere Vorlieben, das macht Bauer in seinem Aufsatz deutlich. Entsprechend wurden die Orgeln der Stadtkirche, die in den Jahren 1424 bis 1440 erbau wurde, im Lauf der Zeit umgerüstet, erweitert, modernisiert, gänzlich erneuert oder schon auch mal komplett demontiert. Denn obgleich das kleine Geislingen eine „erstaunlich frühe Orgeltradition“ hatte, wie der ehemalige Geislinger und Aalener Stadtarchivar ausführt, bekam die Orgelbegeisterung in der Zeit der Reformation einen Dämpfer. Die Königin der Instrumente verstummte in der Stadtkirche, nachdem der Ulmer Rat im Jahr 1531 – Geislingen gehörte damals zur Reichsstadt Ulm – drei, dem strengen Schweizer Reformator Ulrich Zwingli nahestehende Theologen mit der Umsetzung der neuen Kirchenordnung beauftragt hatte. Nicht nur die Orgel flog aus der Kirche, auch viele mittelalterlichen Kunstwerke mussten weichen. Dem Kirchenvolk hat das weniger gefallen. Es wurde geklagt, dass „wegen der kahlen Kirche die Gemeinde nicht mehr fleißig zum Gottesdienst“ gehe. Doch je mehr sich das Ulmer Land dem Luthertum öffnete, desto mehr schwächte sich die „Bilder- und Musikfeindlichkeit“ ab.

Schubart war Organist in Geislingen

1622 erklang schließlich wieder eine Orgel in der Kirche. Nach ihrem Stifter Michael Oechslin wurde sie die Oechslin-Orgel, genannt. Bevor das Instrument aufgestellt werden konnte, musste das Gotteshaus umgebaut werden. Es erhielt eine zweite obere Empore. Keine 100 Jahre später verstummte die Orgel erneut. Der Blitz hatte am 13. September 1715 in den Kirchturm eingeschlagen. „Er fuhr herunter bis in den Boden, verwüstete die Orgel, zerschlug die obere Empore samt den Säulen, auf denen sie ruhte“, schildert Bauer das Szenario. Eine neue Orgel musste her. Sie stammte aus der Werkstatt von Georg Allgeyer in Hofen, das heute zu Aalen gehört. Auf dem Instrument spielte einst auch der Dichter, Musiker und Journalist Christian Friedrich Daniel Schubart.

Doch so kostspielig der Erwerb eines solchen Instruments auch war, die Allgeyer-Orgel sollte nicht die letzte bleiben. 1809 zog die Orgel, die der Ulmer Orgelbauer Johann Matthäus Schmahl für die Ulmer Barfüßerkirche gebaut hatte, in die Stadtkirche. Sie war größer als ihre Vorgängerin, deshalb musste die Empore erweitert werden. Bis 1934 sollte dieses Instrument bleiben, musste aber immer wieder repariert und teils erneuert werden. Einmal wurde das Instrument abgebaut, um eine neue Westempore zu errichten. Dort fand die Orgel in veränderter Form und mit einem neugotischen Gehäuse wieder einen Platz.

Orgel sucht ihresgleichen

Veränderte Klangbilder und neue technische Möglichkeiten weckten schließlich auch in Geislingen den Wunsch nach einer größeren Orgel. So baute die Firma Friedrich Weigle in Echterdingen für die Stadtkirche eine Orgel mit drei Manualen, 53 Registern und einigen Spielhilfen. Vier Jahrzehnte später entsprach aber auch dieses Instrument mit seinem relativ dunklen Klang nicht mehr dem herrschenden Zeitgeist. Der Albershäuser Orgelbaumeister Kurt Oesterle fertigte daher eine neue Orgel. Im Dezember 1976 erklang sie zum ersten Mal in der Stadtkirche. Auch sie wurde immer wieder verändert, zuletzt 2012 und 2013. Damals erweiterte und modernisierte die Bünzwanger Firma Scharfe die Orgel. Dadurch sei „die Stadtkirchenorgel zu einem mit modernster Technik ausgestatteten Instrument geworden, das im weiten Umkreis seinesgleichen sucht“, so Bauer.