Das Göppinger Stadtmuseum Storchen war schon Adelssitz, Arzthaus, Wohngebäude und Gastwirtschaft. Im „Historischen Jahrbuchs für den Kreis Göppingen“ spielt das Anwesen gleich in zwei Beiträgen eine Rolle.

Region: Andreas Pflüger (eas)

Göppingen - Wie lange auf dem Areal des Göppinger Storchen schon gewohnt und geschlafen, gearbeitet und gewerkelt wird, vermag niemand genau zu sagen. Bei jeder Sanierung, vor allem wenn es in den Untergrund geht oder wenn im Gebäude selbst größere Umbauten anstehen, finden sich aber ein paar weitere Puzzleteile zur langen Geschichte des jetzt frisch renovierten Stadtmuseums. Gleich zwei Beiträge des „Historischen Jahrbuchs für den Kreis Göppingen“ beschäftigen sich mit dem altehrwürdigen Fachwerkhaus – und liefern einige spannende Erkenntnisse zu dessen Entstehen und Werden.

 

Während der Kreisarchäologe Reinhard Rademacher und sein Team bei Grabungen unter dem Storchen überraschende Spuren aus der Göppinger Frühzeit entdeckt, gesammelt und dokumentiert haben, hat sich der ehemalige Kreisarchivar Walter Ziegler der verschiedenen Besitzer des Hauses und seiner Vorgängergebäude an gleicher Stelle angenommen. Zwar muss die Geschichte des damaligen Liebenstein’schen Schlösschens deshalb nicht umgeschrieben, aber eben doch um interessante Aspekte ergänzt werden.

Fast 250 Jahre lang im Besitz der Liebensteiner

So sind, nach Rademachers Funden, erste Siedlungsaktivitäten im Bereich „Geppingin“ aus der Karolingerzeit und damit nicht erst Mitte des zwölften Jahrhunderts, sondern fast 300 Jahre früher belegt. Zudem wurden Beweise gefunden, dass es auf dem Gelände des Storchen, der 1536 errichtet wurde, bereits zu Beginn des 13. Jahrhunderts ein Haus gegeben haben muss.

So erklärt sich vermutlich auch, dass eine schriftliche Quelle von 1206 über „drei Häuser in der Siedlung“ berichtet, von denen bisher stets nur zwei belegt werden konnten. Reinhard Rademacher schreibt deshalb in seinem kurzen Text, dass es sich bei dem Vorgängergebäude des Storchen „mit größter Wahrscheinlichkeit um das dritte Haus in den Quellen von 1206 handelt“.

Walter Ziegler sieht die Sache ähnlich und hat frühe Besitzer des Anwesens dokumentiert. So könnte dieses schon 1235 Heinrich von Waldhausen gehört haben. Sicher ist, dass 1405 Nikolaus vom Schwert, der Leibarzt Graf Eberhards des Milden von Württemberg, dort lebte. Und: Die adelige Zeit sollte sich fortsetzen. Von Mitte des 15. Jahrhunderts an residierten hier die Herren von Liebenstein. 1536 schließlich ließ Hans von Liebenstein IV. den heutigen Fachwerkbau errichten, der fast 250 Jahre lang in Familienbesitz blieb, ehe der Arzt Gottlieb Friedrich Oettinger ihn 1781 erwarb.

Fasnachtsverein sorgt für den Namen Storchen

Vom großen Stadtbrand im Jahr darauf blieb das Haus aufgrund seiner exponierten Lage und wegen des großen Gartens verschont. Es folgten weitere Besitzerwechsel, ehe Mitte des 19. Jahrhunderts der Gastwirt Georg Bantel im ersten Stock des Wohngebäudes eine Weinstube einrichtete. Da sich dort 1860 der Fasnachtsverein Storchiana gründete, hatte der Storchen letztlich seinen Kosenamen weg. Bantels Nachkommen verkauften das Haus 1938 an die Stadt, die dort dann 1949 ihr Heimatmuseum eröffnete.

Zieglers Forschungen förderten dabei ein weiteres spannendes Detail zutage. So war bisher davon ausgegangen worden, dass auf dem „Filstalpanorama“ des Ulmer Stadtmalers Martin Schaffner unter anderem auch der Storchen abgebildet ist. Dies kann allerdings nicht sein. Der sogenannte Situationsplan wurde bereits am 2. November 1535 in Göppingen präsentiert. Dendrochronologische Untersuchungen, mit denen das Alter mehrerer Decken- und Dachbalken bestimmt wurde, ergaben, dass die Bäume erst im Winter 1535/36 gefällt worden sein konnten. „Aus diesem Grund kann auf dem ,Filstalpanorama‘ der erst 1536 errichtete Storchen nicht dargestellt sein, sondern nur sein Vorgängeranwesen“, folgert Ziegler im Jahrbuch.