In einer Serie stellen wir Berufe am Theater vor. Heute: der Schauspieler Yavuz Köroglu. Er ist seit 16 Jahren am Theaterhaus engagiert.

Böblingen: Leonie Schüler (lem)

Feuerbach - „Auf der Bühne bin ich ein anderer Mensch, von der Köperhaltung bis zur Sprache“, sagt Yavuz Köroglu. Vor 16 Jahren kam der in Österreich geborene Schauspieler für sein erstes Engagement ans Theaterhaus, das seine Spielstätte damals noch in Wangen hatte. Er hatte gerade sein Studium an der Schauspielschule in Wien abgebrochen und wollte spielen, raus auf die Bühne. „Eine Freundin hat mir erzählt, dass sie am Theaterhaus gerade einen Schauspieler für das Stück ,Was heißt hier Liebe‘ suchen“, erinnert sich der Sohn türkischer Eltern. Er bekam die Rolle – und spielt sie bis heute. Denn das Stück über Liebe und Sexualität wird auch 25 Jahre nach der Premiere noch immer im Haus aufgeführt, im Programmheft wird es als „erfolgreichste Produktion des Theaterhauses ever“ bezeichnet.

 

Obwohl Yavuz Köroglu seine Schauspielausbildung abgebrochen hatte – „das war ein bisschen steif alles“ –, ging der Lernprozess am Theaterhaus erst richtig los. „Ich habe an der Wand hinter der Bühne gestanden und den anderen Schauspielern beim Spielen zugehört. Ich war hungrig danach, von den Kollegen etwas zu lernen“, erzählt der 36-Jährige. „Als Türke war ich nie selbstbewusst, hier am Haus wollte ich mich ausprobieren.“

In Rollen hineinfühlen

Aktuell spielt Yavuz Köroglu in fünf verschiedenen Stücken mit. Eine besondere Herausforderung sind für ihn die Aufführungen von „Die zwölf Geschworenen“. „Die Rolle verlangt einiges ab von mir“, sagt er. Der Charakter, den Köroglu spielt, ist mies gelaunt, provokant – das Gegenteil von ihm selbst. „Privat gehe ich jedem Konflikt aus dem Weg, habe Spaß“, sagt der Vater zweier Töchter. Um den Charakter zu entwickeln, las er laut seinen Text, „bis es zu dem Typen gepasst hat“. In seinem Freundes- und Bekanntenkreis schaute er sich nach Eigenschaften um und mischte sie zusammen. „Ich habe einen Onkel, der immer etwas mit seinem Kiefer macht, wenn er sauer wird. Von jemand anderem habe ich die Körperhaltung übernommen.“

Um die passenden Emotionen zu transportieren, versetzt sich Köroglu so tief es geht in die Rolle hinein. „Du musst mit dem Charakter nicht d’accord sein, aber du musst ihn verstehen und so fühlen wie er“, sagt der 36-Jährige. Bei Gefühlen, die man selbst schon einmal empfunden habe, sei es nicht schwer, sie auf die Bühne zu bringen. Auch Lachanfälle oder Heulkrämpfe seien nicht schwierig. „Um zu heulen, brauche ich Bilder im Kopf, die mich traurig machen. Das ist nicht schwierig, aber es kostet viel Energie.“ Um in eine Rolle hineinzufinden, braucht Köroglu nicht viel Zeit. Sobald er auf der Bühne stehe, tauche er ab – und bleibe in der Rolle auch noch eine Weile verhaftet. „Je tiefer man in die Psyche eintaucht, um so länger braucht man zum Runterkommen. Es arbeitet in dir weiter“, sagt Köroglu. Er habe gehört, erzählt er lachend, Schauspieler würden noch bis zu drei Stunden nach einer Vorstellung als unzurechnungsfähig gelten.

„Theater ist ehrlich“

Ein Gradmesser für seine Arbeit sind für Köroglu zum einen die Kritiken, die nach einer Premiere in den Zeitungen stehen. Das sei zwar nur die Meinung von einer Person, „trotzdem ist es für uns Schauspieler ein Maßstab“. Denn Kollegen oder Freunde seien in der Regel nicht ehrlich und würden immer behaupten, man habe toll gespielt. Genauso wichtig ist Köroglu aber auch die Reaktion des Publikums. „Man weiß sofort, ob etwas angekommen ist. Theater ist ehrlich.“ Deshalb sei die Arbeit beim Film nichts für ihn. Früher habe er unbedingt vor die Kamera gewollt, auch um berühmt zu werden. „Aber das ist nicht mein Ding. Die Reaktion fehlt. Ich brauche es, dass mir Leute zuschauen.“ Überhaupt habe sich im Laufe der Zeit sein Berufsverständnis verändert. Als Kind habe er es toll gefunden, auf der Bühne zu stehen und Menschen zu faszinieren. Später, als Jugendlicher, habe er gedacht, er könne als Schauspieler bewundert werden wie Brad Pitt. „Heute will ich den Leuten was erzählen, will Botschaften teilen, kritisieren, Augen öffnen, unangenehm sein, damit sich die Leute Fragen stellen.“

Auch strebe er an kein größeres Schauspielhaus, wisse er doch, dass er dort viel mehr Zeit für Proben aufbringen müsste. „Hier bei uns sind die Strukturen ganz anders. Am Theaterhaus ist es sehr familiär.“ Der Intendant Werner Schretzmeier sei für ihn „eine Mischung aus Vater und Onkel, aber auch eine Respektsperson.“

Teil eins der Serie: Der Intendant Werner Schretzmeier