Degerloch ist einer der wichtigsten Verkehrsknotenpunkte in Stuttgart. Doch wo Autos über die B27 fahren und gar vier Stadtbahnlinien verkehren, befindet sich auch die Endhaltestelle der legendären Zahnradbahn. Wir haben uns diesen besonderen Ort genauer angeschaut.

Digital Desk: Christian Pavlic (cpa)

Stuttgart - „Vergangene Woche bin ich ins Degerloch gefahren“ – wer es sich mit vielen der über 16.000 Einwohner dieses Stuttgarter Stadtbezirks schnell verscherzen möchte, muss nur solch einen Satz von sich geben. Dass es auf keinen Fall „das Degerloch“ heißt, ist das eine. Dass man mit einer solchen Aussage aber zugleich offenbart, noch nicht (oder nicht häufig genug) in Degerloch gewesen zu sein, ist das andere. Dabei hat dieser Ort, sicherlich bedingt durch seine herrliche Lage oberhalb des Talkessels, viele spannende und sehenswerte Plätze zu bieten.

 

Ein solcher ist gewiss auch die zentrale Haltestelle für öffentliche Verkehrsmittel. Neben diversen Buslinien und Stadtbahnen, die beinahe im Minutentakt verkehren und auf der Durchfahrt sind, befindet sich hier ebenso die Endhaltestelle eines echten Stuttgarter Wahrzeichens: der Zahnradbahn, von den Einheimischen liebevoll Zacke genannt. Bereits seit 1884 befördert sie die Menschen von Degerloch hinunter in den Kessel, dort hält sie schließlich am Marienplatz. Die Zacke ist deutschlandweit die einzige Zahnradbahn, die allem voran für den alltäglichen Berufsverkehr einer Großstadt von großer Bedeutung ist.

Von Supermärkten und Gemüsehändlern

Schulkinder, Berufstätige, Rentner – alle Altersgruppen tummeln sich tagsüber an der Haltestelle. Neben dem ständigen Ein- und Aussteigen nutzen die Passanten die zahlreichen Einkaufsmöglichkeiten, die sich in unmittelbarer Nähe befinden; vom klassischen Supermarkt bis hin zum Gemüse- und Feinkostladen ist in Degerloch alles geboten. „Wenn du hier aussteigst, gehst du nie mit leeren Händen nach Hause“, erzählt eine Frau im Vorbeigehen. Sie wohnt ganz in der Nähe der Haltestelle und freut sich über die Anbindung. „Ich arbeite am Marienplatz, die Zacke ist für mich einfach ein Segen.“

Exakt zehn Minuten beträgt die Fahrtzeit – doch die Strecke führt nicht nur auf direktem Weg ins Zentrum der Stadt: Das Panorama, das sich einem während des Aufenthalts in der Zacke bietet, ist einmalig. Auf der bis zu 17,8 Prozent steilen Strecke wird man immer wieder daran erinnert, warum Stuttgart alles andere als eine gewöhnliche Großstadt ist. „Am Schönsten ist es, wenn man kurz vor Sonnenuntergang in Degerloch einsteigt“, weiß ein älterer Passant. „Dafür könnte die Stadt eigentlich fast so etwas wie Eintritt verlangen.“

Erinnerung an wichtige Lebensabschnitte

Die Zacke hat in all den Jahrzenten die Geschichte der Stadt mitgeprägt – doch auch zahlreiche Stuttgarter verbinden viele ihrer eigenen Geschichten mit ihr. Claudia Henssler hat einen bedeutenden Lebensabschnitt in Degerloch verbracht – die Endhaltestelle erinnert sie noch heute an diese Zeit. „Die Zacke werde ich für immer mit meiner ersten Arbeitsstätte verbinden“, so die 32-jährige Juristin. „Gefühlt tausend Mal bin ich in der Mittagspause an der Haltestelle vorbeigelaufen.“ Auch für sie spielte die Kombination aus Anbindung an öffentliche Verkehrsmittel und Einkaufsmöglichkeiten eine Rolle – auch wenn sie selbst nur selten dort eingekauft hatte. „So oft habe ich die teuren Auslagen beim Obst- und Gemüsehändler bewundert oder bin nach links zum Edeka oder nach rechts zum DM abgebogen.“

Doch auch für Claudia Henssler bleiben die regelmäßigen Fahrten mit der legendären Zacke unangefochten die schönsten Momente. „Das waren die zehn Minuten, auf die man sich bereits während der Arbeitszeit ungemein gefreut hat“, erinnert sich die Wendlingerin, die mittlerweile in unmittelbarer Nähe des Schlossplatzes tätig ist. „Einstieg in Degerloch, dann die atemberaubende Abfahrt mit der Zacke. Auf dem Weg zum Feierabend-Eis am Marienplatz schwebt man quasi über den Dächern und Lichtern Stuttgarts.“

Lesen Sie hier: Selbstversuch als Stadtbahnfahrerin – um einen Einblick in die Arbeit der Stadtbahnfahrer zu bekommen, hat unsere Redakteurin Dominika Jaschek eine Stadtbahn-Fahrstunde genommen.

Seit nunmehr über 130 Jahren befördert die Zacke die Bewohner Stuttgarts von Degerloch zum Marienplatz – auch künftig wird sie in der Landeshauptstadt Geschichte schreiben und in den Gedanken der Menschen ihren Platz finden. Und für all jene, die in der Vergangenheit nicht oder viel zu selten an der Endhaltestelle gewesen sein sollten, könnte es künftig heißen: „Nächste Woche fahre ich wieder nach Degerloch.“

Wir haben uns an der Endhaltestelle Degerloch umgesehen und die Eindrücke rund um die Zacken-Station in zahlreichen Fotos festgehalten. Klicken Sie sich durch unsere Bildergalerie!