Der Journalist Michael Mosley hat in England das Teilzeitfasten populär gemacht. Seine Methode hat viele Anhänger gefunden – vor allem solche, die nicht nur Gewichtverlieren, sondern sich auch vor Alterserscheinungen schützen wollen.

Stuttgart - Eigentlich steht Michael Mosley Diäten äußerst skeptisch gegenüber. Der Mediziner, der als Journalist für die BBC arbeitet, hat zu viele scheitern sehen. Im Jahr 2012 kam der damals 55-jährige Brite dennoch ins Grübeln: Untersuchungen zeigten, dass er als scheinbar schlanker Mann gefährlich viel Bauchfett eingelagert hatte. Er bemerkte erste Symptome von Diabetes, und seine Cholesterinwerte waren stark erhöht. Mosley, der gerade an einer Dokumentation über Langlebigkeit arbeitete, wurde klar: Wenn er nicht genauso wie sein Vater früh an Diabetes sterben wollte, musste er etwas ändern.

 

Mosleys Recherche brachte ihm die Idee für die Lösung: Einige Tierversuche hatten zuvor ergeben, dass Tiere bei drastischer Kalorienreduktion länger lebten. Mosley hatte für seinen Film Menschen getroffen, die auf dieser Erkenntnis ihren ganzen Lebensstil aufbauen und darauf achten, möglichst viele Nährstoffe bei möglichst geringer Kalorienzahl zu sich zu nehmen – sie nennen sich selbst Cronys (von calory restriction with optimal nutrition). Er hatte probehalber selbst vier Tage am Stück gefastet.

Doch dauerhafter Verzicht schien dem lebenslustigen Journalisten nicht erstrebenswert. „Ich war deshalb entzückt, als ich das Intervallfasten entdeckte“, schreibt er. Er besuchte Krista Varady von der Universität Illinois in Chicago, die mit einer Methode experimentiert, bei der alternierend, also jeweils jeden zweiten Tag, gefastet wird. „Ich wollte besser verstehen, was an der Kalorienreduktion die Vorteile bringt“, sagt Mosley. Seine Hoffnung war, einen Weg zu finden, bei dem er die Vorteile des Fastens genießen könnte, sich aber möglichst wenig einschränken müsste.

„Ich wurde zu meinem eigenen Experiment“

Mosley beschloss, Varadys Methode auf zwei Fastentagen pro Woche zu beschränken. An diesen Fastentagen wollte er auf zwei Mahlzeiten verteilt maximal 600 Kalorien zu sich nehmen, also ein Viertel der üblichen Tagesration. Für Frauen liegt die Grenze bei 500 Kalorien. So käme er auch tagsüber auf eine Fastenzeit von zwölf Stunden zwischen den Mahlzeiten. An den fünf anderen Tagen wollte er weiter essen wie bisher.„Ich wurde zu meinem eigenen Experiment“, sagt Mosley – einem Experiment wie Michael Moores „Supersize Me“.

Was dabei passiert ist, dokumentierte Mosley in einer Sendung, die im August 2012 von der BBC ausgestrahlt worden ist – und ein überraschend großes Echo fand. Denn Mosley hat nicht nur sechs Kilogramm abgenommen, sondern innerhalb weniger Monate seine Blutwerte entscheidend verbessert. Seine Idee, die gesundheitlichen Vorteile des intermittierenden Fastens mit so wenig Verzicht wie möglich zu erreichen, schien also zu funktionieren. Zusätzlichen Rückenwind verschaffte ihm die wohlwollende Kritik des Gastronoms Hugh Fearnley-Whittingstall, der acht Pfund verlor und seine Erfahrung im Guardian als „berauschend“ beschrieb.

Seither hat Mosley mit der Ernährungsberaterin Mimi Spencer sein Konzept kräftig vermarktet. Das erste Buch stand monatelang auf den Bestsellerlisten, inzwischen sind längst Rezeptbücher dazugekommen. Außerdem gibt es inzwischen auch eine verschärfte „Bikini-Version“ – Mosley und Spencer nennen sie 4:3. Wer nachrechnet, stellt fest, dass sie im Grunde identisch ist mit Varadys Konzept. Der durchschnittliche Gewichtsverlust der Fastenden aus dem Forum seiner Seite, bilanziert er auf Anfrage, betrage sechs Kilogramm pro Vierteljahr oder zehn Kilogramm über ein ganzes Jahr. Anders als beim Langzeitfasten, sagt Mosley, werde aber vor allem Fett und nicht Muskelmasse abgebaut. Bei seinen 1500 Langzeit-Probanden handle es sich weit überwiegend um Frauen, ihr Durchschnittsalter liege bei 46 Jahren.

Erfolg ist wissenschaftlich nicht eindeutig belegt

Es gibt eine 2013 veröffentlichte randomisierte Studie, die Michael Mosleys Erfahrung zu bestätigen scheint: Michelle Harvie von der Universität Manchester hat 115 übergewichtige Frauen mit erhöhtem Brustkrebsrisiko in drei Gruppen eingeteilt: zwei Gruppen, die intermittierend fasteten (IF) und eine Gruppe, die gleichmäßig, aber insgesamt weniger aß. Beide IF-Gruppen nahmen wenig Kohlenhydrate zu sich. Eine der beiden Gruppen musste sich aber auch bei Fett und Eiweiß beschränken, die andere nicht. Alle drei Gruppen sollten über drei Monate an Gewicht verlieren und das Erreichte mindestens noch einen Monat halten. Dabei verloren beide IF-Gruppen deutlich mehr Körperfett als die Gruppe, die gleichmäßig wenig aß. Bei der kohlehydratreduzierten IF-Gruppe verloren 65 Prozent aller Teilnehmer fünf oder mehr Prozent ihres Ausgangsgewichts, bei der zweiten IF-Gruppe waren es 58 Prozent. Bei der klassischen Diät waren nur 40 Prozent so erfolgreich. Auch die Insulinresistenz verbesserte sich bei den beiden IF-Gruppen in größerem Maß. Allerdings geben die Autoren der Studie zu bedenken, dass es zuvor zwei ähnliche Studien gegeben hat, in denen die Methode des intermittierenden Fastens nicht besser als die Kalorienreduktion abgeschnitten hat. Für den Erfolg der IF-Gruppen in ihrer Studie machen sie die Reduzierung der Kohlehydrate verantwortlich: Die Teilnehmer waren besser gesättigt und hielten leichter durch.

Rebecca M. ist vom Erfolg ihrer Eltern überzeugt worden. Im vergangenen Sommer haben die beiden 74-Jährigen mit Mosleys Methode je 7 und 10 Kilo abgenommen. Die Ärzte waren beeindruckt, weil sich auch die Blutwerte enorm verbessert haben. Rebecca M. hat daraufhin Anfang Oktober zu fasten begonnen. Sie wollte die letzten hartnäckigen Kilos aus ihren beiden Schwangerschaften loswerden. Bis Januar nahm sie mit Michael Mosleys Methode acht Kilo ab – und das, obwohl sie in dieser Zeit Weihnachten ganz ungehemmt genossen hat. Genau das schätzt sie an der „Fast Diet“: Dass der Verzicht sich in überschaubarem Rahmen hält und den Genuss an den anderen Tagen nicht schmälert – im Gegenteil: „Ich freue mich nach einem Wochenende immer auf meinen Fastentag. Das Essen nach einem Fastentag genießt man ganz anders“, schwärmt sie. Sowohl Rebecca M. als auch ihre Eltern halten das neue Gewicht seither, indem sie einen Tag pro Woche fasten – oder auch nach einem Fest auch wieder mal zwei.

Bohrender Hunger

Fasten fällt nicht jedem so leicht wie Michael Mosley oder Rebecca M. In einer früheren, 2011 veröffentlichten Studie hat Michelle Harvie aus Manchester junge und stark übergewichtige Frauen mit einem Body Mass Index von durchschnittlich 30 in zwei Gruppen eingeteilt und sechs Monate lang Diät halten lassen. Dabei schnitten beide Ernährungsmethode etwa gleich gut ab, und zwar sowohl, was den Gewichtsverlust als auch die Verbesserung der Blutwerte betraf. Allerdings klagten die Teilnehmer, die sich an IF hielten, deutlich öfter über bohrenden Hunger.

Michael Mosley fand es zwar selbst bei seinem viertägigen Fasten überraschend einfach, den Hunger auszuhalten. „Ich habe gelernt, dass Hunger sich nicht immer weiter aufbaut, sondern über den Tag in mehreren Wellen kommt“, sagt er. Mit zunehmender Routine werde es immer einfacher. So erging es auch Rebecca M.

Allerdings ist sie genau wie Michael Mosley auch daran interessiert, sich mit dem Fasten gegen die üblichen Zivilisations-Krankheiten zu schützen. In Mosleys Fall waren es das erhöhte Risiko, an Diabetes und Prostatakrebs zu erkranken. Rebecca M. will Arthrose vorbeugen. Wie es scheint, fällt die Enthaltsamkeit deutlich leichter, wenn es beim Fasten nicht nur darum geht, ein paar Kilogramm abzuspecken. Tatsächlich deutet sich in der erwähnten Studie von 2013 an, dass das intermittierende Fasten gegen eine Vielzahl von Zivilisationserkrankungen zu schützen scheint. Michelle Harvie kommt deshalb zu dem Schluss, dass es sinnvoll wäre, die Vorteile von Mosleys Methode in Langzeitstudien genauer unter die Lupe zu nehmen.

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Bisher erschienen in der StZ-Serie „Klug abnehmen“: „Heilfasten als Schritt in ein gesünderes Leben“, „Saftige Steaks sind bei dieser Diät erlaubt“ , „Diät-Shakes im Selbstversuch“ und „Mit Genuss abnehmen – Weightwatchers helfen dabei