Trimm-Dich-Pfade gelten als nicht mehr zeitgemäß. Sie wurden abgelöst durch Nordic-Walking-Parcours und ähnliche Einrichtungen. Doch die Idee, die hinter der Trimm Dich-Bewegung gesteckt hat, lebt wieder auf.

Region: Andreas Pflüger (eas)

Göppingen - Irgendwo im Göppinger Oberholz: drei seltsam geformte Hügel direkt am Wegesrand. Unweit steht ein seltsam gestaltetes Holzgerüst mit hohen und niedrigen Toren. Etwas weiter bilden dicke, auf unterschiedliche Höhe gebrachte Baumstümpfe einen Halbkreis. Und dann diese hohe schmale Hütte mit Giebeldach, aber ohne Seitenwände. Sollten sich keine entsprechenden Aufzeichnungen mehr finden lassen, wird die Menschheit irgendwann wohl darüber rätseln, ob hier rituelle Handlungen oder andere mystische Vorgänge vonstatten gegangen sind. Ganz ähnlich, wie es die Forscher heute im englischen Stonehenge tun.

 

Die halbverwitterten Rudimente im Stadtwald an der Straße nach Hohenstaufen zeugen aber vielmehr von der sportlichen Betätigung trendiger Zeitgenossen in den 70er und 80er Jahren des vergangenen Säkulums. Trimm-Dich-Pfad nannte sich diese Einrichtung. Ein Begriff, mit dem jüngere Leute schon heute nichts mehr anzufangen wissen. Manuel Kurz, der gerade einmal 20 Lenze auf dem Buckel hat, schüttelt mit dem Kopf, während er sich an der durchaus artverwandten Dehnstation, keine 50 Meter vom früheren Trimm-Dich-Pfad entfernt, auf seine Nordic-Walking-Runde vorbereitet.

Jogging und Nordic Walking statt Trimm Dich Fit

So richtig glauben will er dem neugierigen Fragesteller nicht, dass es einen derartigen knapp 2,5 Kilometer langen Rundweg mit 18 Übungsposten im Oberholz einmal gegeben hat. Zum Glück kommt in diesem Moment Thomas Seitzer des Weges. Der 55-jährige Göppinger erinnert sich natürlich und bestätigt die Behauptung des Journalisten: „Doch, so etwas hat es hier mal gegeben.“

Die Vergangenheitsform ist richtig gewählt. Trimm-Dich-Pfade sind im Stauferkreis Geschichte: in Göppingen ebenso wie in Bad Boll, Eislingen oder Heiningen. Meist wurden sie ersetzt durch sogenannte Fitness-Sport-Parks oder Lauf-Active-Strecken in unterschiedlichen Längen und Schwierigkeitsgraden oder durch Nordic-Walking-Parcours. Es sind sogar weitere Sportpfade hinzugekommen, beispielsweise in etlichen Kommunen der Erlebnisregion Schwäbischer Albtrauf.

Ein wenig seltsam mutet es in einer immer sportiver werdenden Gesellschaft dennoch an, dass die herkömmlichen Trimm-Dich-Pfade von der Bildfläche verschwunden sind. Doch es gibt Erklärungen: Die rein praktische lautet, dass der Aufwand, der zur Pflege und Erhaltung notwendig war, angesichts sinkender Nutzerzahlen nicht mehr vertretbar gewesen ist. Der zuständige Revierförster Reiner Ertl hat sich bis zu ihrer Schließung um die Göppinger Anlage gekümmert. „Immer wieder mussten wir Schäden beseitigen, die durch Vandalismus entstanden waren“, erinnert er sich. Einmal seien dabei sogar die Sprossen der Hangel-Leiter von oben angesägt worden. „Das hätte richtig gefährlich werden können, wenn da jemand dran gegangen wäre“, fügt er hinzu.

Ansgar Thiel: Keimzelle des Präventionssports

Und dann ist da natürlich noch die Sicht von Seiten des Sports, was das Aus der Trimm-Dich-Pfade angeht: „Aus der Rückschau betrachtet war das nicht Fisch und nicht Fleisch, obwohl viele der Übungen, die dort absolviert wurden, immer noch zeitgemäß sind“, erklärt Ansgar Thiel, der Direktor des Instituts für Sportwissenschaft der Uni Tübingen. Natürlich hätten sich manche gymnastische Praktiken überholt oder zumindest verändert. Aber das sei nicht der entscheidende Punkt. „Die Trimm-Dich-Pfade gaben zwar eine Normierung vor, waren aber doch nichts völlig Abgegrenztes.“ Als die Jogger den Wald eroberten, seien die Übungsstationen eher im Weg gestanden. „Und zum Krafttraining ging man inzwischen ins Fitnessstudio“, ergänzt Thiel.

Aus der Welt sei der vermeintlich uncoole Trimm-Dich-Grundgedanke aber dennoch nicht, fährt er fort. „Neue Übungsplätze mit Fitnessgeräten in Parks oder Generationenspielplätze greifen die Idee wieder auf“, betont der Sportwissenschaftler, der sogar noch einen Schritt weitergeht: „Wenn man so will, dann war die Trimm- Dich-Bewegung die Keimzelle des Präventions- und Gesundheitssports.“