Die Bibliothek des Parlaments ist besser ausgestattet als so manches Hochschulinstitut. Trotzdem lohnt sich auch, von den Büchern mal auf- und raus zu blicken.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Armin Käfer (kä)

Berlin - Mannshohe blaue Buchstaben schweben über dem Ort, an dem viele Reden entstehen, die im Parlament gehalten werden. Sie fassen das Prinzip der Demokratie in einen Zirkelschluss. Damit das besser zu lesen ist, sind die Buchstaben aus Neonröhren geformt und leuchten. „Freiheit ist denkbar als Möglichkeit des Handelns unter Gleichen“, so lautet der Spruch. Und die zweite Hälfte: „Gleichheit ist denkbar als Möglichkeit des Handelns für Freiheit“. Der gespiegelte Satz stammt von Hannah Ahrendt. Er krönt die Bibliothek des Bundestags. Damit hat der italienische Künstler Maurizio Nannucci den Nutzern etwas zum Nachdenken gegeben.

 

Der Bundestag besitzt eine eigene Bibliothek, seit es ihn gibt. Erst 2003 bekam die parlamentarische Büchersammlung aber auch ein eigenes Domizil. Es befindet sich im Marie-Elisabeth-Lüders-Haus am Spreebogen gegenüber dem Reichstag. 1,4 Millionen Medien werden hier vorgehalten, damit die Wissenschaftlichen Mitarbeiter der Abgeordneten sich Inspiration für Redemanuskripte holen und Argumente anhand der Fachliteratur überprüfen können. 3000 Personen haben in dem Büchertempel ein Nutzerkonto. Auch Journalisten und Beamte der Regierungsbehörden oder Studenten können auf das literarische Arsenal zurückgreifen.

Eine Fundgrube für Fans der Parlamentsgeschichte

Der Lesesaal erstreckt sich in einer zur Spree hin verglasten Rotunde über fünf Etagen. Von den 50 Arbeitsplätzen aus haben Besucher einen grandiosen Blick ins Zentrum des Parlamentsviertels. 80 Mitarbeiter kümmern sich um die Recherchewünsche der Nutzer. In den Regalen finden sich Lexika, Gesetzeskommentare, Statistikbände, historische, juristische und volkswirtschaftliche Literatur, aber auch Bücher zur Psychologie und zur Medizin.

Der Personenkatalog beginnt bei dem barocken Prediger Abraham a Santa Clara. Das Sachregister umfasst ein Themenspektrum, das von A wie Abfallrecht bis Z wie Zitate reicht. Die Bibliothek hat 1000 Fachzeitschriften abonniert. Es gibt sogar eine eigene Abteilung unter der Rubrik „Humor“. Dort steht dann zum Beispiel ein „Lexikon der boshaften Zitate“.

Wer genug Zeit mitbringt, kann sich beim Schmökern in der Geschichte des Parlamentarismus verlieren. Eines der ältesten Folianten in den Regalen findet sich gleich auf der Ebene des Eingangs. Es wurde 1817 gedruckt, zwei Jahre nach dem Wiener Kongress. In dem Lederband sind „Protokolle der Deutschen Bundesversammlung“ zusammengefasst. Das Werk, so ist es auf dem Titelblatt vermerkt, durfte seinerzeit nur „mit hoher Bewilligung“ veröffentlicht werden. Von den Möglichkeiten, die diese Bibliothek den Abgeordneten unserer Zeit bietet, konnten die Repräsentanten des Deutschen Bundes damals nur träumen.