Der Tunesier Skander Saidi, der an der Hochschule der Medien studiert, wohnt seit zwei Jahren im unkonventionellen Verbindungshaus der „Sängerschaft Schwaben“ im Stuttgarter Norden. Singen ist Pflicht – und pro Semester ein Großputz auch.

S-Nord -

 

Bei dem Wort Verbindungshaus haben viele sofort das klischeehafte Bild der fechtenden und hierarchiegeprägten Studentenverbindungen vor sich, wie sie auch heute noch in Deutschland existieren. Doch heute ist die Mehrzahl der deutschen Verbindungen nicht schlagend, die Formen des Zusammenlebens sind ganz unterschiedlich. Im Verbindungshaus am Killesberg bewohnt seit zwei Jahren Skander Saidi eines der 18 Zimmer. Vor vier Jahren kam er von Tunesien nach Deutschland, um an der Hochschule der Medien (HdM) in Vaihingen audiovisuelle Medien zu studieren.

In dem Haus am Kriegsbergturm sucht man vergeblich nach Waffen an den Wänden. Die akademische Verbindung „Sängerschaft Schwaben“ ist eine singende Verbindung, keine schlagende. Jeden Montag finden sich gut zwei Dutzend Sänger im großen Saal des Gebäudes zur Chorprobe zusammen. „Der Chor ist kostenlos und offen für jeden“, erzählt Skander Saidi. Ebenso ist es die Verbindung - Frauen und Mitglieder nichtdeutscher Herkunft sind willkommen. Von strengen Hierarchien keine Spur. „Bei uns geht es immer locker zu“, sagt Skander Saidi und ergänzt: „Auf eine Verbindung mit strengen Regeln hätte ich auch keine Lust gehabt.“

Jeder hat ein Amt inne

Trotzdem gibt es auch für die Bewohner des Schwabenhauses ein paar Pflichten. Da wären zum Beispiel Chorveranstaltungen, Hausversammlungen sowie einige Ämter, die besetzt werden müssen. „Jeder bei uns hat ein Amt inne“, erklärt Skander Saidi. Vom Chorwart über den Getränkewart bis hin zum Hauswart sind alle Aufgaben, die über das Semester anfallen, verteilt. Der 23-Jährige ist Mitglied des Redaktionsteams, das regelmäßig ein Verbindungsheft herausbringt. Einmal im Semester gibt es zudem einen Semesterputz, bei dem das dreistöckige Verbindungshaus von allen Bewohnern von oben bis unten durchgeschrubbt wird.

Im Haus und in der Nachbarschaft fühlt sich Skander Saidi wohl. „Durch die vielen Gespräche mit den Mitbewohnern ist mein Deutsch viel besser geworden“, sagt er. Auch habe er sich durch das Haus sehr in die deutsche Gesellschaft integriert – mehr als zuvor im Wohnheim auf dem Campus in Vaihingen, wo er während seines Deutschkurses wohnte, der seinem Studium vorausging. „Die Lage hier ist ruhig, das gefällt mir“, sagt er. Trotzdem sei man zu Fuß in wenigen Minuten am Hauptbahnhof. Auf die große Terrasse mit Blick in den Stuttgarter Talkessel möchte er auch nur ungern verzichten.

Nach Deutschland sei er gekommen, da auch schon sein Bruder zuvor zum Studieren hierher gekommen war. „Das Bildungssystem und das Leben in Deutschland sind besser als in Tunesien“, sagt Skander Saidi. Nach seiner Zeit im Studentenwohnheim sei er durch eine Anzeige auf einer Internet-Wohnungsplattform im Verbindungshaus gelandet.

Nebenjob in einem Café

Skander Saidis Mutter kommt regelmäßig nach Deutschland. „Wenn sie da ist, zeige nicht ich ihr die Stadt, sondern sie mir“, erzählt er grinsend. Die Erklärung folgt prompt: „Meine Mutter ist ein Kulturfreak.“ Wenn demnächst die Hochzeit von Skander Saidis älterem Bruder ansteht, soll auch sein Vater zum ersten Mal zu Besuch nach Deutschland kommen. Skander Saidi selbst war, seit er in Deutschland lebt, erst zwei Mal zu Besuch zu Hause in Tunesien.

Für die Semesterferien hat der Student, für den in Kürze das fünfte Semester beginnt, bisher keine großen Pläne geschmiedet. „Vielleicht gehe ich noch ein paar Tage nach Paris“, sagt er. Ansonsten jobbt er nebenbei als Kellner in einem Cannstatter Café und besucht noch ein paar seiner zahlreichen Freunde in ganz Deutschland. Im Mai ist er dann mit drei seiner Mitbewohner bei einem AC/DC-Konzert. „AC/DC ist nicht meine Lieblingsband, aber sie haben einen Legendenstatus“, sagt er.