Der Flughafen Stuttgart ist eine eigene Welt. In unserer vierteiligen Serie schauen wir hinter die Kulissen und begleiten einige der über 10 000 Mitarbeiter bei ihrer täglichen Arbeit. In dieser Folge geht es zum Ramp Agent, bei dem alle Fäden zusammenlaufen, solange ein Flugzeug am Boden ist.

Leserredaktion : Kathrin Zinser (zin)

Stuttgart - Alles ist vorbereitet: Die Treppen stehen an der Parkposition, die Bremsklötze liegen bereit. Gerade hat Thorsten Sütel geprüft, ob der Boden frei von Hindernissen ist, dann greift er zum Funkgerät „Irgendwelche Specials?“, fragt er beim Gatepersonal. Nein, alles normal. Jetzt fehlt nur noch das Flugzeug, das hier parken soll. Doch weil eine andere Maschine gerade zur Startbahn rollt und dabei den Weg versperrt, muss der soeben gelandete Airbus A 319 aus London zunächst warten.

 

Dann erreicht das Flugzeug seine Parkposition. Von jetzt an zählt für Thorsten Sütel jede Minute: Er ist Ramp Agent und als solcher für die Flugzeugabfertigung von der Landung bis zum Start verantwortlich. Dafür bleiben in diesem Fall rund 30 Minuten. „Wenn alles klappt, reicht die Zeit gut aus, aber wann klappt schon alles“, sagt er.

30 Minuten Zeit für eine lange Liste

Die Männer, die sich gleich um das Gepäck kümmern werden, legen die Bremsklötze vor die großen Flugzeugreifen. Kurz darauf verlassen die ersten Passagiere über Treppen die Maschine. Sütel beugt sich über das Protokoll auf seinem Klemmbrett: Tanken, Reinigung, Entsorgung des Abwassers, Frischwasser, Beladung – die Liste ist lang. Beim Ramp Agent laufen alle Fäden zusammen. „Ich koordiniere den zeitlichen Ablauf aller Tätigkeiten solange das Flugzeug am Boden ist“, erklärt Sütel.

Der Umfang dieser Arbeiten variiert von Airline zu Airline. Bei diesem Flug etwa gibt es kein Catering. „Jeder Flieger ist anders“, sagt der 37-Jährige, der seit anderthalb Jahren als Ramp Agent arbeitet. „Je länger man dabei ist, desto ruhiger wird man. Aber es gibt immer wieder Situationen, die man so noch nicht hatte.“

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Nichts Neues ist es, dass Passagiere Dinge vergessen: Eine Frau hat ihren Geldbeutel im Flugzeug liegen lassen. Sütel läuft die Treppen hoch, kommt mit dem Portemonnaie zurück und gibt es der Besitzerin – gerade noch rechtzeitig, bevor der Bus von der Parkposition zum Terminal fährt. „Sie glauben gar nicht, was alles im Flugzeug vergessen wird – sogar Laptops lassen die Leute liegen“, berichtet er. Hinter ihm taucht bereits der Tankwagen auf. Sütel gibt ein Signal – es kann losgehen. „In der Regel wird aus Sicherheitsgründen erst getankt, wenn der letzte Passagier das Flugzeug verlassen hat“, erklärt er.

Verspätete Passagiere bringen alles durcheinander

Nach Rücksprache mit der Flugzeugcrew auf der einen und dem Bodenpersonal am Gate auf der anderen Seite legt der Ramp Agent auch fest, wann die Passagiere für den nächsten Flug an Bord gehen. Was den Zeitplan gründlich durcheinander bringt, sind Fluggäste, die zu spät kommen und ihre Maschine nicht mehr erreichen: „Dann muss das Gepäck wieder ausgeladen werden, weil gemäß den Sicherheitsvorschriften kein Gepäckstück ohne seinen Besitzer fliegen darf“, sagt Sütel.

Doch auch, wenn alle pünktlich sind, liegt ein besonderes Augenmerk des Ramp Agents auf dem Gepäck: Er überprüft sorgfältig, ob die Anzahl der verladenen mit der der aufgegebenen Gepäckstücke übereinstimmt. „Zudem gibt es genaue Vorschriften, wie das Flugzeug beladen werden darf: Wird die Ladehöhe eingehalten? Sind die Rauchmelder frei? Ist alles sicher verstaut? Das ist unter anderem wichtig, damit die Maschine stabil in der Luft liegt“, erklärt Sütel.

Der Ramp Agent hilft beim Ausparken

Es sind nur noch wenige Minuten bis zum Start. Alle Passagiere sind an Bord. „Man hat immer die Zeit im Nacken“, sagt der Ramp Agent und startet den „final walkaround“, bei dem er um das Flugzeug herumgeht und prüft, ob alle Türen und Klappen geschlossen sind.

Über dem Flughafen sind mittlerweile dunkle Wolken aufgezogen. Starker Regen setzt ein. Als Ramp Agent ist Sütel bei jedem Wetter draußen – auch jetzt. Mit einer gelben Regenjacke bekleidet bereitet er den so genannten Pushback vor: Da ein Flugzeug nicht rückwärts fahren kann, muss es aus der Parkposition herausgeschoben werden. Sütel begleitet dieses Manöver zu Fuß an der Seite der Maschine: Über Headset ist er mit dem Cockpit verbunden, über Blickkontakt mit dem Fahrer des Flugzeugschleppers. Wenn der Tower das Okay gegeben hat, wird die Maschine nach hinten geschoben und der Pilot kann die Triebwerke starten.

Sütel hebt den Daumen. Noch ein kurzes Winken, dann rollt das Flugzeug bereits wieder zur Startbahn – pünktlich rund 30 Minuten nach der Landung in Stuttgart.