Manteldesk: Mirko Weber (miw)

Buchstäblich eine Art Stellvertreterkrieg führt 1956 in Melbourne die ungarische Wasserballmannschaft gegen die UdSSR. Gerade ist der Aufstand in Budapest vom angeblichen Brudervolk brutal niedergeschlagen worden, da gehen die jeweiligen Teams mit einiger Gewalt aufeinander los. Immerhin datiert auf Melbourne die schöne Geste zurück, dass die Sportler am Ende der Spiele nicht mehr blockweise im nationalen Verbund einmarschieren, sondern länderübergreifend Hand in Hand eine Runde durchs Stadion drehen. Brüder und Schwestern, zumindest wenn die Wettkämpfe vorbei sind. Das Schöne daran: man hat sich wenigstens nicht umgebracht.

 

Natürlich aber bleibt es ein brüchiger Friede, den der Sport symbolisch suggeriert – ein Wunder, wenn es nicht so wäre. Verlangt doch der Wettbewerb ziemlich genau jene Tugenden, die in der Industriearbeit und heutigen IT-Welt gefragt sind: Zweckrationalität, Autoritätsdenken und Organisationsfähigkeit bis zur Selbstaufgabe. Erwähnenswert vielleicht auch in diesem Zusammenhang, dass einmal ein Fußballspiel, nämlich das Entscheidungsmatch zur WM-Qualifikation, El Salvador gegen Honduras, ausgetragen 1969 in Mexiko – El Salvador gewann in letzter Sekunde –, zu einem Hundert-Stunden-Krieg geführt hat, in dessen Verlauf zweitausend Menschen starben und 100 000 honduranische Bauern vertrieben wurden.

Und doch.

Und doch ist eine Formel, von der sowohl der Sport wie der Friede lebt. Die Wendung setzt voraus, dass ein Einzelner oder eine Mannschaft gegen Widerstände angeht, innere, äußere, gleichviel. Gegen Trägheit, Gleichgültigkeit, Resignation. Dass Grenzen verschoben werden können und besondere Kräfte freigesetzt werden – und dass dann, wenn alles vorbei ist, was sich so Kampf nennt und hoffentlich einigermaßen fair abgegangen ist, die Hände ausgestreckt werden, wobei das, Gott bewahre, jetzt fast nach Fifa und IOC klingt. Falsch sein muss es nicht.