Im Kreis Böblingen leben 43 000 Ausländer. Amerikaner und Inder zieht es zu Daimler. Aus dem Nahen Osten kommen viele Flüchtlinge. In einer Serie stellen wir Zuwanderer vor, fragen bei Unternehmen und Schulen nach ihren Chancen und Problemen.

Böblingen - Vor der italienischen Insel Lampedusa ertrinken Menschen, die vom afrikanischen Kontinent mit kleinen Booten in den sicheren Westen flüchten. Die CSU befürchtet, dass rumänische Zuwanderer die deutschen Sozialkassen plündern und die Schweizer haben kürzlich beschlossen, den Zuzug von Ausländern zu begrenzen. – Zuwanderung und Integrationspolitik sind momentan die Megathemen. Und sie machen vor dem wirtschaftsstarken Kreis Böblingen natürlich nicht Halt. 400 000 Ausländer sind im vergangenen Jahr nach Deutschland eingewandert, 6800 davon in den Kreis Böblingen.

 

Welche Erwartungen haben diese Menschen? Wo arbeiten sie? Wie wollen sie sich integrieren? Diesen Fragen gehen wir in den kommenden Wochen mit einer Serie nach. Wir stellen Einwanderer vor, fragen bei Wirtschaftsbossen nach ihren Chancen. Wir sehen uns an, wie zugewanderte Jugendliche zurecht kommen und fragen, welche Vereine und Institutionen für eine gelingende Integration wichtig sind. Zum Auftakt gibt es Zahlen und Fakten.

Wohin zieht es die Zuwanderer? Am beliebtesten ist bei den Migranten die größte Stadt im Kreis. In Sindelfingen ließen sich im vergangenen Jahr 1477 Personen nieder. „Das liegt vor allem daran, dass das Daimler-Werk viele ausländische Fachkräfte anzieht“, sagt Uwe Klauss vom Sindelfinger Ordnungsamt. Dabei sei ein Teil dieser Arbeitskräfte nur für kurze Zeit da. Von den 1477 Neubürgern meldeten sich 648 bereits nach wenigen Monaten wieder ab. In der Stadt Böblingen steigt die Zahl Ausländer stark an: Ließen sich im Januar und Februar 2013 insgesamt 28 ausländische Neubürger nieder, waren es in den beiden ersten Monaten dieses Jahres bereits 140.

Aus welchen Ländern kommen die Menschen?

In Sindelfingen stammen mit 270 Migranten die meisten aus den USA, gefolgt von 246 Indern und 166 Rumänen. Nach Böblingen zieht es vor allem EU-Bürger. Ebenso in die kleineren Kommunen des Kreises: Hier kamen die meisten Neubürger mit 691 Personen aus Rumänien, gefolgt von 570 Polen und 411 Italienern. Stark zugenommen hat die Zahl von Flüchtlingen aus den Krisenregionen des Nahen Ostens: Syrien, Afghanistan, Irak. 511 nahm der Kreis 2013 auf. „Das ist eine Steigerung von 63 Prozent“, sagt Thomas Gonther-Belge, Chef der Abteilung Ausländerangelegenheiten im Landratsamt. Für dieses Jahr rechnet er mit mindestens 650 Asylbewerbern.

Nur wenige werden deutsche Bürger<b> </b>

Welche Rechte haben die Migranten?

Das ist sehr unterschiedlich. Bürger aus 27 EU-Staaten sind den Deutschen gleichgestellt. Sie dürfen sich überall niederlassen und arbeiten, erhalten Kindergeld, und wenn sie einige Monate gearbeitet haben und arbeitslos werden, auch Leistungen des Jobcenters. Asylbewerber hingegen unterliegen bis zum Abschluss ihres Verfahrens gewissen Beschränkungen. Ihr Wohnort ist auf den Kreis Böblingen beschränkt, sie dürfen sich nur innerhalb Baden-Württembergs frei bewegen. Auch das Recht zu arbeiten, unterliegt strikten Regelungen. Ausgenommen von diesen Vorgaben sind lediglich die so genannten Kontingentflüchtlinge – im vergangen Jahr waren es 25 Personen im Kreis, die überwiegend aus Syrien kamen. Diese dürfen sofort arbeiten und sich in Deutschland frei bewegen.

Dann gibt es noch die so genanten Drittstaater. Dabei unterscheiden die Behörden zwischen privilegierten Drittstaatern – US-Amerikaner und Türken, die rechtlich faktisch den EU-Bürgern gleichgestellt sind, und alle anderen – also beispielsweise Chinesen, Japaner und Inder. Diese müssen für jede Einreise ein Visum beantragen. Einen längeren Aufenthalt erhalten sie nur zu bestimmten Zwecken – zum Beispiel zum Studium oder wenn sie einen Arbeitsvertrag vorweisen können und sie müssen nachweisen, dass sie keine Sozialleistungen in Anspruch nehmen.

Werden aus den Ausländern irgendwann Deutsche?

Zurzeit leben im Kreis rund 43 000 Ausländer. Sie dürfen nach acht Jahren Aufenthalt in der BRD, wenn sie keine Sozialleistungen erhalten und ausreichende Deutschkenntnisse haben, sich einbürgern lassen. Aber alle Nicht-EU-Bürger müssen ihre bisherige Staatsangehörigkeit aufgeben. Das schreckt viele ab: Gerade einmal 649 Ausländer aus dem Kreis wurden im vergangen Jahr Deutsche, die meisten davon Türken. Dann gehören sie zur Gruppe der Menschen mit Migrationshintergrund – das sind all jene, die selbst oder deren Eltern nach Deutschland eingewandert sind, manche mit, andere ohne deutschen Pass. Dies trifft auf etwa 111 000 Menschen im Kreis zu. Jeder dritte Kreisbewohner hat damit ausländische Wurzeln.