Im September beginnt die Herbstflut von US-amerikanischen Serien auf DVD und Blu-ray. Aber auch Netflix ist startklar und bietet einiges an.

Stuttgart - Dass die Ferienzeit vorbei ist, merkt man nicht nur daran, dass der Bäcker Zwiebelkuchen im Angebot hat. Sondern noch sehr viel deutlicher an der Flut von Serien-Neuerscheinungen fürs Heimkino. Die Medienindustrie legt in den kommenden Wochen Serien in DVD- und Blu-rays-Boxen vor, als wolle sie uns das pausenlose Schauen so ins Erbgut prägen wie Bären dort ein Winterschlafkommando haben. Anfang September sollen wir uns mit dem DVD-Spieler in unsere Höhle zurückziehen und erst im Mai des Folgejahres wieder auftauchen.

 

Zumindest eine Neuerscheinung gibt es, die auch Menschen mit starker Selbstbeherrschung für ein paar Tage zum Ausklinken aus dem Sozialleben bringen dürfte: „True Detective“ (Warner, ab 4. September im Handel.). Die von dem Krimiautor Nic Pizzolatto entwickelte, vom Regisseur Cary Fukunaga („Sin Nombre“) inszenierte HBO-Serie ist in den USA sofort dem Kreis jener bahnbrechenden Epen zugerechnet worden, die Fernsehen neu definieren und Hollywood blass aussehen lassen. Tatsächlich ist sie dicht geschrieben, markant inszeniert und mit Matthew McConaughey und Woody Harrelson herausragend besetzt.

Die acht Folgen der ersten Staffel spielen im Süden der USA, auf zwei Zeitebenen. Im Jetzt der Erzählung werden die beiden Ex-Cops Rust Cohle und Marty Hart von aktiven Kollegen zu einem alten Fall befragt. Lange Rückblenden zeigen uns, wie Cohle und Hart damals einen Serienkiller gejagt haben. Dass einiges, was die beiden im Heute erzählen, nicht mit dem übereinstimmt, was die Kamera uns aus der Vergangenheit zeigt, ist eines der vielen Mittel des Spannungsaufbaus.

„True Detective“ ist spannender als ein Thriller

Harrelson spielt den Familienvater, der mit den Sitten der Provinz und der Fehlerhaftigkeit normaler Polizeiarbeit gut klarkommt. McConaughey gibt den schneidend rationalen Außenseiter, der sein ungewöhnliches Denken nicht anders denn als sozialen Affront einzusetzen versteht.

Das könnte auch die Ausgangslage eines wenig inspirierten Buddy-Movies sein, wird aber als echtes Charakterdrama entwickelt. McConaughey und Harrelson dabei zuzusehen, wie sie eine ganz gewöhnliche Abendesseneinladung Harts bei der Familie von Cohle abwickeln, ist spannender als der Showdown der meisten Thriller.

Dass Serienfiguren bei den großen Sendern der USA nicht annähernd so lebensecht reden und agieren dürfen wie in Produktionen der Kabelsender, fällt einem nach ein paar Stunden „True Detective“ wieder besonders auf. Immerhin, die Serie „The Killing“ (Studiocanal, ab 11. September im Handel) des Kabelsenders AMC, der Heimat von „The Walking Dead“, bekommt den Spagat gut hin, ernsthaft zu wirken und doch den Weiterverkauf auch an prüdere Sender zu ermöglichen. In Deutschland allerdings dürfte diese Mordermittlung mit einem Standortnachteil zu kämpfen haben. Dies ist das US-Remake der hierzulande schon erfolgreich ausgewerteten schwedischen Serie „Kommissarin Lund“.

Manche Neuheiten missraten

Mit starken Vorbildern haben viele Serienneuheiten zu kämpfen. „Vegas“ (Paramount, ab 4. September), die Geschichte eines Rinderzüchters, der im Spielerparadies der Sechziger hopplahopp zum Sheriff wird, ist mit Dennis Quaid und Michael Chiklis zwar interessant besetzt, wirkt aber wie ein missratener Versuch, die Fans von „Justified“ und „Boardwalk Empire“ zugleich zu erreichen, ohne die Wagnisse dieser Serien einzugehen. „Mr. Selfridge“ über einen Amerikaner, der 1909 in London ein Kaufhaus eröffnet, ist da in Ausstattung und Themenspektrum am Vorbild „Downton Abbey“ näher dran. Aber die Drehbücher sind leider sehr viel flauer.

Diese Liste der Derivate ließe sich zwar noch fortsetzen, aber wichtiger ist in diesem Herbst wohl etwas anderes: wie viele Serien auf DVD nicht mit älteren Vorbildern, sondern mit sich selbst auf anderen Vertriebskanälen konkurrieren. Die zweite Staffel von „House of Cards“, der boshaft intelligenten Politikbetriebbeschimpfung, erscheint in der ersten Septemberwoche bei Sony noch einmal als Erstangebot für deutsche Auf-einmal-Schauer. Aber der netzbasierte US-Anbieter Netflix, der „House of Cards“ produziert, wird im September auch in Deutschland tätig. Künftig wird man bei ihm zum Erscheinen einer neuen Staffel alle Folgen auf einmal im Internet erwerben können.

Zum Weihnachtsgeschäft gibt es Sammlerboxen

Ob „House of Cards“, die vierte Staffel von „Sons of Anarchy“ oder die dritte von „Homeland“, viele Fans haben sowieso nicht gewartet, bis es die alle jetzt auf DVD zu kaufen gibt. Sie sind zahlende oder schmarotzende Zuschauer im Netz geworden. Wen wundert’s? Die Edelserie „Game of Thrones“ wird auf Speichermedien gar provokant spät angeboten. Erst im Oktober 2015 kann man sie ins Regal stellen.

Die Medienindustrie gibt uns so zu verstehen, dass ihr die Hinwendung der Fans zu Streamingportalen nur recht wäre. Im Herbst 2014 beginnt sie allerdings auch wieder mit der Herausgabe von Komplettausgaben in Sammlerboxen, die sich zum Weihnachtsgeschäft hin steigern wird. Am liebsten wäre es ihr nämlich, wir würden zuerst gegen Gebühr streamen und später auch noch die DVD kaufen.