Prostitution gibt es nicht nur in der Innenstadt. Die Frauen gehen ihrem Gewerbe zum Beispiel auch im Möhringer SI-Centrum nach. Ein Straßenstrich, wie es so mancher befürchtet, dürfte sich im Salzäcker aber nicht etablieren, meint die Polizei.

Möhringen - Wie wäre es mit Vivien? Sie wartet mit Traummaßen auf, steht unter dem Foto einer knapp bekleideten Dame. Sie sei eine attraktive und eloquente Lady von offener und hinreißender Natur. Vivien trägt ihr langes, schwarzes Haar offen. Oder doch lieber Vicky, die Herzen im Nu erobere und sich auf einem Bett räkelt? Dann gibt es noch das Duo Jana und Clarissa. Zwei Stunden mit den beiden kosten 660 Euro, das Zimmer im Möhringer SI-Centrum ist inklusive. Die Internetseite wirbt mit erstklassigem Service für den anspruchsvollen Gentleman. An- und Abfahrt der Damen wird nicht in Rechnung gestellt, der Schweizer Franken ausnahmsweise akzeptiert.

 

Wer meint, Prostitution gäbe es nur in der Innenstadt, im Leonhardsviertel, wo rote Leuchttafeln die Freier nach drinnen locken und die Dirnen von der Bordsteinkante aus Männern flotte Sprüche entgegenwerfen, der irrt. Das Geschäft mit dem Sex ist fest in Stuttgart verwurzelt, auf der Filderebene, und nicht zuletzt auch in Möhringen.

Die Anwohner in Möhringen bekommen nichts mit

„Fast in jedem Stadtteil gibt es solche Objekte, aber die findet man normalerweise nicht“, sagt Thomas Geiger, der Sprecher der Polizei. Während die Bordelle aus den Kriminalfilmen tatsächlich meist in der Innenstadt liegen, häufig illegal oder in einer rechtlichen Grauzone betrieben werden, gehen die Huren in Möhringen ihrem Gewerbe im Verborgenen nach. „Die Frau wird über eine Agentur gebucht, das geht meist übers Internet“, sagt Geiger. „Und dann gehen die beiden in ein Hotelzimmer und die Anwohner bekommen davon nichts mit.“

Eveline Steinborn ist da anderer Meinung. Sie lebt im Salzäcker, in dem Wohngebiet im Schatten des SI-Centrums. Sie fühlt sich unwohl, wenn sie mit dem Hund unterwegs ist, und fürchtet sich davor, von Freiern angesprochen zu werden. Einer Bekannten sei das schon passiert, behauptet sie, und auch sie habe schon seltsame Begegnungen gehabt. „Die laufen an einem vorbei und haben so ein herausforderndes Verhalten“, sagt sie. „Mitten im Wohngebiet.“

Prostituierte gelten als Freiberufler

Prostitution ist in Deutschland grundsätzlich legal und gilt als Dienstleistungsgewerbe. Dem Papier nach sind Huren Freiberufler, sie müssen ihre Einkünfte gegenüber dem Finanzamt ausweisen und Mehrwertsteuer abführen. Der Bund hat sich jüngst sogar auf eine Kondompflicht für Freier geeinigt. Dass die Realität eine andere ist, ist bekannt. Aber „es geht nicht, die Prostitution in ganz Stuttgart zu verbieten“, sagt Geiger.

In Teilen davon aber sehr wohl. Städte können sogenannte Sperrgebiete ausweisen, in denen nicht offen für Sex gegen Geld geworben werden darf – und zwar zum Schutz der Jugend. Die Stuttgarter Innenstadt ist Sperrgebiet, freilich ohne sonderlich großen Erfolg. Nach bisheriger Lesart ist die Wohnungsprostitution davon ohnehin ausgenommen, schließlich geht es den Staat nichts an, was hinter verschlossenen Türen geschieht.

Gegen Wohnungsprostitution lässt sich wenig ausrichten

Ein Berliner Gericht hat nach einer Hörprobe vor Ort vor einigen Jahren festgestellt, dass das Sexgewerbe als nicht störend einzustufen sei. Höchstinstanzlich hat das Leipziger Bundesverwaltungsgericht vor zwei Monaten jedoch entschieden, dass Städte mit ihren Sperrgebietsverordnungen teilweise auch gegen die Wohnungsprostitution vorgehen können. Die Kommunen sollen davon eifrig Gebrauch machen, sagte daraufhin Katrin Altpeter, die Sozialministerin von Baden-Württemberg.

Vor einigen Tagen hat der Oberbürgermeister Fritz Kuhn verkündet, die Armutsprostitution im Leonhardsviertel stärker bekämpfen zu wollen. Die Zahl der Bordellbetriebe soll halbiert, die Gegend mit verschiedenen Maßnahmen zurückerobert werden. Der Kontrolldruck soll steigen. Steinborn, die Frau aus Möhringen, befürchtet jedoch, dass sich die Szene dann verlagern könnte. „Wir möchten nicht, dass das jetzt bei uns ansässig wird.“

Es gibt keinen Anlass, davon auszugehen, meint der Polizeisprecher Geiger. „Es ist bekannt, dass im SI-Centrum mehrere Zimmer angemietet werden.“ Aber einen Straßenstrich gebe es im Salzäcker gewiss nicht. Die Kollegen von der Sitte hätten das bereits vor Längerem überprüft, nachdem eine Beschwerde eingegangen sei. „So etwas bildet sich nur dort, wo es eine Nachfrage gibt“, sagt der Mann von der Polizei. Deshalb sei es auch höchst unwahrscheinlich, dass im Salzäcker Freier unterwegs seien und Frauen ansprechen würden. Und auch in Zukunft dürfte sich daran wohl nichts ändern.