Ja ja, die Männer. Alles sexistische Machos? Matthias Hohnecker und Jan Georg Plavec zählen sich definitiv nicht zu dieser Spezies. Sie erzählen aus ihrer Sicht, wie die Sexismus-Debatte auf sie wirkt – und was da jetzt noch kommen kann.

Stuttgart - Ich bin der neue Mann. Ich putze, koche, wasche, kaufe ein, bügle, habe die Kinder gewickelt, Erbrochenes aufgewischt, mich beim Kinderarzt mit allerlei Kinderkrankheiten angesteckt, im Kindergarten freiwillig Holznikoläuse laubgesägt – ich unterstütze meine selbstständige Frau also, wo und wie ich kann. Kurzum: ich  bin vom traditionellen Männerbild so emanzipiert, wie der Papst katholisch ist. Und trotzdem bin ich ein Schwein. Weil ich – neu oder nicht – ein Mann bin, also ein Sexist. Wie damals, als wir alle ein bisschen Bluna waren, sind wir Männer jetzt alle ein bisschen Brüderle. Vor allem im Selbstbild. Man kann sich im Umgang mit Frauen noch so höflich und korrekt sehen – seit Brüderle wird man diese latente Selbstbezichtigung nicht mehr los. Bin ich ein Schwein! Eine Frage mit Ausrufezeichen.

 

Szene 1, beim Optiker. Man sitzt auf einem Stuhl, die Optikerin steht vor einem und passt die Brille an. „Schauen Sie bitte geradeaus“, sagt sie, und man schaut geradeaus – genau auf ihre Brust in zehn Zentimeter Entfernung. Vor Brüderle war das nur ein Blick auf eine Brust. Nach Brüderle fragt man sich: Wie notgeil ist das denn?

Hühnerbrüstchen? Ein Herrenwitz!

Szene 2, beim Metzger. Man steht an der Fleischtheke und fragt die Fleischereifachverkäuferin: „Haben Sie Hühnerbrüstchen?“ Vor Brüderle war das eine normale Fleischthekenfrage, nach Brüderle will man am liebsten Vegetarier werden.

Bei fast allem, was man tut, fühlt man sich neuerdings unterschwellig ertappt. Grundlos, denn die Debatte über die Äußerungen dieses FDPlers ist selbst eher Treppen- als Herrenwitz. Als neuer Mann fragt man sich: Gibt es noch irgendwas zwischen Brüderle und Prüderle?

Der Autor: Matthias Hohnecker ist Redakteur im Ressort Sport.

Der Macho ist weg – und dann?

Da grenzt man sich als moderner Mann von den Sprüche- oder Poklopfern ab – und dann kommen die Sexismusdebatte und ihre Pauschalisierungen. Ein Aufschrei erlaubt kaum differenzierte Zwischentöne. Die braucht es auch nicht, solange Chefs grapschen und Kolleginnen plump angebaggert werden. Da gibt es kein Aber. Das Problem, das Männer wie ich bei der Debatte haben: Auch die Diskussion selbst duldet kein Aber. Ich bin es nicht, der Kolleginnen sexuell belästigt – aber ich bin gemeint, wenn von „Männern“ die Rede ist. So geht es vielen Männern, auch deshalb wird die Diskussion so einseitig geführt.

Ich könnte jetzt sagen, das alles betrifft mich nicht, ich gehöre ja zu den Guten. Es kümmert mich aber doch – weil ich fürchte, dass die Debatte auch Unsicherheit bringen wird. Wo verläuft künftig die Grenze zwischen harmlosem Necken und sexistischer Anmache? Zumindest ich bin verunsichert. Das passt ja auch ins Bild, oder soll man sagen: In den Masterplan? Die wichtigsten aktuellen Bücher über Männer heißen „Das schwache Geschlecht“, „Das Ende der Männer“ und „Das entehrte Geschlecht“. Der Tenor: Machos, das war’s.

Jetzt wird’s anstrengend

Da dräut das Ende eines von Frauen wie auch von Männern wie mir abgelehnten Zerrbilds. Doch mit dem Machoklischee schwindet auch jener Widerpart, der in Reinform zeigt, wie es zwischen Mann und Frau nicht laufen soll am Arbeitsplatz. Man wird den Macho also gerne los. Aber fortan wird es nicht mehr reichen, es einfach besser zu machen als er. Männer und Frauen müssen ihr Verhalten und ihre Haltung zum anderen Geschlecht neu denken. Das ist der anstrengendere Teil.

Der Autor: Jan Georg Plavec ist Redakteur im Ressort Online.