Die Frauenquote für die Aufsichtsräte von Dax-Unternehmen kommt, doch sie diskriminiert und hinkt der Zeit hinterher – meint unsere Kolumnistin Sibylle Krause-Burger.

Stuttgart - Ich müsste jubilieren, müsste Hurra schreien, müsste die Fahne der Emanzipation stolz durch die Lande schwenken. Denn endlich soll uns Frauen eine 30-Prozent-Quote für die Aufsichtsräte der großen DAX-Unternehmen beschert werden: begleitet von Schalmeienklängen aus dem Kanzleramt, abgesegnet vom großkoalitionär dominierten Gesetzgeber. Sie kommt, sagt Angela Merkel, und sogar Gerda Hasselfeldt von der erzkonservativen CSU, stimmt freudig zu. Es weihnachtet sehr. Spätestens 2016 betritt die erste Quotenfrau eine Vorstandsetage und überreicht dem Gremium die schöne Gabe der Geschlechtergerechtigkeit. Des sollen wir froh und glücklich sein.

 

Aber wer möchte dann tatsächlich bei den hochmögenden Herrn, die bis jetzt mehrheitlich die Aufsichtsräte beherrschen – und das ja auch in Zukunft tun werden – als Quotenfrau und also ein bisschen belächelt am Tisch sitzen? Welche der stolzen Frauen, die für den Job in Frage kommen, wird sich das antun wollen? Und wie fühlt sich so eine unter den Mittelmäßigen, die von der Quote voraussichtlich in diese Position gespült werden? Denn die tüchtige, die überlegene, die hoch qualifizierte Wirtschaftsfrau braucht keine Krücke. Diese herausragende Person, weil selten verfügbar, wird doch längst gesucht und mit offenen Armen empfangen. Jetzt schon ist jedes fünfte Mitglied der in Frage stehenden Aufsichtsräte eine Frau.

Führungsfrauen sind rar auf dem Arbeitsmarkt

Es ist zwar nicht zu leugnen, dass viele Spitzengremien in der Wirtschaft von Männern beherrscht werden. Aber geht die geringere Präsenz von Frauen wirklich auf die männliche Machtgier zurück? Auf ihr hordenhaftes Zusammenkleben und die aggressive Abwehr hoch qualifizierter Weiblichkeit, die sich vor den Sitzungssälen der Aufsichtsräte drängelt, an die Tore hämmert und – wie einst Gerhard Schröder vor dem Kanzleramt – ein wild entschlossenes Ich-will-da-rein ruft? Dergleichen behaupten zumindest die Lobbyistinnen weiblicher Macht. Aber so ist es ganz und gar nicht.

Es wird nicht ganz leicht sein, die Quote mit wahrhaft Geeigneten aufzufüllen. Begabte und qualifizierte Frauen sind rar auf dem Arbeitsmarkt. Und das hat nicht mit einem Mangel an Talenten zu tun, sondern immer noch mit der Fähigkeit zu gebären und den besonderen weiblichen Lebensentwürfen. Solange die Kinder in unseren Bäuchen wachsen, ob spontan gezeugt oder aus tiefgefrorenen Eiern gezüchtet, sind weibliche Karrieren nach wie vor mit oft schmerzlichen Kompromissen verbunden. Kind oder Karriere, das ist die Frage, wo es an betreuendem Personal fehlt. Kind und Karriere, das ist wahnsinnig anstrengend. Karriere ohne Kind ein häufiger Ausweg. Für die allermeisten Frauen bleibt, wie immer sie sich entscheiden, stets ein Rest an Unlösbarkeit. Aber nicht die Quote, sondern die Kita weist einen Weg aus solchen Dilemmata.

Die Zeit ist der Quote längst voraus

Trotz aller Schwierigkeiten ist unsere Welt weiblicher eingefärbt als noch vor Jahren. In Berlin regiert eine weltweit geachtete, bisweilen sogar gefürchtete Frau. Auch das Verteidigungsministerium ist weiblich regiert. Im Arbeits-und Sozialministerium schwingt ebenfalls eine Frau das Zepter. Die beiden Letzteren – alles andere als Quotenfrauen, sondern ziemlich satisfaktionsfähige Kämpferinnen – verwalten die ausgabenstärksten Ressorts der Regierung. Das Klima ist frauenfreundlicher geworden, nicht wegen irgendwelcher Quoten in den Parteien oder sonst wo, sondern trotz der Quoten oder ohne sie.

Die Zeit war einfach reif. Die Zeit schreit nach guten Leuten. Die Zeit braucht die sehr guten Frauen. Insofern hinkt die Quote hinterher. Sie ist überflüssig, und sie ist zutiefst diskriminierend. Besagt sie doch, dass Frauen selbst in unserer freien und auf Gleichberechtigung ausgerichteten Gesellschaft schwach sind, unfähig, es alleine zu schaffen, hilfsbedürftige Wesen wie eh und je. Nur weil früher Männer siegten, weil sie Männer waren, werden jetzt Frauen auf gepolsterten Pöstchen landen, weil sie Frauen sind? Soll das vielleicht ein Fortschritt sein?

Warum also überhaupt dieses Vorhaben? Weil Parteien es für populär halten und weil sie gewählt werden wollen. Kommst Du mit der Maut, komm ich mit der Quote. Die Wirtschaft aber will die Quote nicht. Sie braucht ja qualifizierte Leute und will sich nicht reinreden lassen. Sie muss Geld verdienen. Die Politik darf es ausgeben.

Die tüchtigen und begabten Frauen brauchen die Quote auch nicht. Sie kommen so voran. Und wie viele sind überhaupt gemeint, wenn die Gesetzgebungsmaschine jetzt anläuft? Ein paar hundert vielleicht in den 108 börsennotierten und mitbestimmungspflichtigen Unternehmen, von denen zunächst die Rede ist. Doch was hat Lieschen Müller, alleinerziehende Mutter von zwei Kindern mit einem Job beim gefährdeten Karstadt-Konzern, von dieser Elitenquote? Von dieser Luxusregelung? Schließlich haben wir es hier mit der Beförderung einer winzigen Minderheit zu tun. Eine Reihe von Selbstverpflichtungen in der Wirtschaft, den öffentlichen Verwaltungen und Gerichten soll folgen. Bis das klappt sind die Frauen in vielen akademischen Berufen längst in der Überzahl. Dann haben sie sowieso das Sagen. An der Spitze des Landgerichts in Stuttgart residiert eine Frau, ebenso am Bundesgerichtshof in Karlsruhe. Die Quote kommt. So steht es im Koalitionsvertrag. Doch sie sieht jetzt schon ganz schön alt aus.