Die Bahn bleibt einer Untersuchung zufolge das sicherste Verkehrsmittel für den Alltag. Das Risiko, im Auto oder im Bus tödlich zu verunglücken, ist demnach deutlich größer.

Stuttgart/Berlin - Der Falschfahrer-Unfall auf der B 29 bei Lorch bewegt seit Tagen die Autofahrer in der Region Stuttgart. Die 72-jährige Unfallverursacherin kam dabei ebenso ums Leben wie ein 20 Jahre alter Stuttgarter. Der junge Mann war ein Freund und Crew-Mitglied des Rappers Kay One. Ein Mitfahrer im Wagen des 20-Jährigen überlebte mit schweren Verletzungen. Die Polizei schließt ein bewusstes Falschfahren aus. Sie nennt als Unfallursache zu geringe Fahrpraxis der Frau und Probleme bei der Orientierung. Sie war in falscher Fahrtrichtung auf die B 29 aufgefahren und mit dem Wagen des Freundes von Kay One zusammengeprallt.

 

Die häufigste Unfallursache ist allerdings nach wie vor eine zu schnelle Fahrweise. Mehr als 3000 Todesopfer werden in Deutschland jedes Jahr im Straßenverkehr registriert. Wie hoch das Risiko ist, je nach Verkehrsträger bei einem Unfall verletzt oder gar getötet zu werden, haben jetzt die Allianz pro Schiene und der Automobil-Club Verkehr (ACV) im Durchschnitt der Jahre 2006 bis 2015 ermittelt. Der Vergleich ist eindeutig. „Für die Alltagsmobilität ist die Eisenbahn das mit Abstand sicherste Verkehrsmittel“, betont Dirk Flege, der Geschäftsführer der Allianz pro Schiene. Demnach war das Risiko zu sterben bei Pkw-Insassen 75-mal höher als für Bahnreisende. Im Bus reist man im Vergleich zum Auto ebenfalls relativ sicher. Allerdings ist das Todesrisiko mit Blick auf die Bahn ebenfalls größer, nämlich sechsmal so hoch. Der Vergleich basiert auf der Auswertung der sogenannten Personenkilometer. Dabei wird die von der jeweiligen Gruppe der Verkehrsteilnehmer insgesamt zurückgelegte Kilometerzahl in Relation zu den Verunglückten gesetzt.

Am gefährlichsten leben Autofahrer in Rumänien

Auch im EU-Vergleich ergibt sich überall ein ähnliches Bild wie in Deutschland. Nirgendwo in Europa ist Autofahren sicherer als Bahnfahren. Deutschland selbst liegt bei der Verkehrssicherheit statistisch gesehen eher im guten Bereich. Im EU-Durchschnitt von 2005 bis 2014 starben den Angaben zufolge 3,4 Pkw-Insassen pro einer Milliarde Personenkilometer. In Deutschland waren es 2,4 getötete Autofahrer. Demgegenüber standen europaweit 0,14 getötete Bahnreisende. Der Verkehrsträgervergleich zeigt auch: Mit 0,03 Toten war die Eisenbahn in Deutschland deutlich besser als der europäische Durchschnitt. Am gefährlichsten leben übrigens Autofahrer im Osten Europas: In Rumänien (durchschnittlich 13,2 Tote), Lettland (9,7) oder Polen (9,3) sind pro Milliarde Personenkilometer die meisten Todesopfer unter den Pkw-Insassen zu beklagen.

Für Flege steht fest: „Verkehr ist desto sicherer, je höher der Anteil der Eisenbahn ist!“ Die Vision Zero (Vision von null Verkehrstoten) in der Verkehrssicherheit sei nur zu erreichen, „wenn die Politik dieses Ziel verkehrsträgerübergreifend denkt“. In Deutschland beschloss der Deutsche Verkehrssicherheitsrat im Jahr 2007, die Vision Zero zur Grundlage seiner Arbeit zu machen. Als erster Staat in Europa hatte Schweden Ende der 1990er-Jahre diese Vision ausgerufen, die ursprünglich aus der Arbeitssicherheit stammt. Die Europäische Kommission hat als Ziel das Jahr 2050 angesetzt, an dem „nahezu niemand“ mehr auf europäischen Straßen sterben soll.

Horst Metzler, Geschäftsführer des ACV, sagt: Das selbst gesetzte Ziel der Bundesregierung, bis 2020 ein Minus von 40 Prozent bei der Zahl der Verkehrstoten zu erreichen, liege „Lichtjahre außerhalb unserer Reichweite“. Metzler: „Wir müssen im Straßenverkehr zusätzliche Anstrengungen unternehmen, damit die Vision Zero nicht an Glaubwürdigkeit verliert.“

Schienenlobbyisten warnen vor Riesen-Lkw

Große Sorge bereitet den beiden Verbänden in diesem Zusammenhang die wachsende Zahl von Lastwagen auf Deutschlands Straßen. Laut Allianz pro Schiene sind Gefahrguttransporte der Güterbahn im direkten Vergleich 42-mal sicherer als mit dem Lkw. Dennoch setze die Politik auf immer mehr Lkw-Verkehr. „Schon jetzt ist an jedem fünften tödlichen Unfall ein Lkw beteiligt“, gibt Metzler zu bedenken. Durch die Regelzulassung zum 1. Januar 2017 für die sogenannten Gigaliner rechnet er mit täglich 7000 weiteren Lkw-Fahrten. Die wachsende Zahl an Lkw „hintertreibe die Bemühungen um mehr Sicherheit im Verkehr“.

Ein fünfjähriger Feldversuch während der Erprobungsphase mit den Riesen-Lkw, der von der Bundesanstalt für Straßenwesen (Bast) ausgewertet wurde, kommt allerdings nicht zu diesem Ergebnis. Die Bast-Studie weist zwar auf Probleme hin. So sind die Nothaltebuchten in Tunneln für die bis zu 25 Meter langen XXL-Trucks zu kurz und die Brandlasten in den Tunneln erhöhen sich im Vergleich zu normalen Lkws. Allerdings heißt es im Schlussfazit der Bast: Da drei konventionelle Lkw-Fahrten aufgrund des Ladevolumens durch zwei Gigaliner-Fahrten ersetzt würden, könne der Ausstoß von Klimagasen und Luftschadstoffen reduziert werden. Zudem habe der Gesetzgeber aus Gründen der Verkehrssicherheit nur bestimmte Strecken für die Gigaliner freigeben. Auf den Haupteinsatzorten, den Autobahnen, betrage deren Anteil an den Fahrzeugen nur zwischen 0,5 und einem Prozent. Die potenziellen Risiken seien daher gering.