Die Berichte über misshandelte Flüchtlinge in Nordrhein-Westfalen lösen auch im Südwesten Betriebsamkeit aus. Bisher gab es keine solchen Vorfälle, sagt Integrationsministerin Öney. Trotzdem werden die Vorschriften verschärft.

Stuttgart - Die schockierenden Nachrichten über misshandelte Flüchtlinge haben auch die Behörden im Südwesten aufgeschreckt. Gewalttätige Übergriffe in deutschen Flüchtlingsunterkünften? Schlimmer geht es nicht – weder für die Schutzsuchenden, ohnehin oft traumatisierten Menschen, noch für das aufnehmende Land, das sein Ansehen verliert. Im nordrhein-westfälischen Burbach ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen sechs Sicherheitsmänner wegen des Verdachts, Flüchtlinge geschlagen und erniedrigt zu haben. Außerdem untersucht die Polizei in Essen den Verdacht der Körperverletzung in einem Flüchtlingsheim. In Baden-Württemberg immerhin sind noch keine vergleichbaren Fälle vorgekommen. Das berichtete Integrationsministerin Bilkay Öney am Montag. Nach dem Besuch eines Wohnheims für syrische Flüchtlinge im Landkreis Biberach sagte die SPD-Politikerin: „Wir sind wie alle anderen auch erschrocken und müssen alles dafür tun, dass sich solche Vorkommnisse nirgendwo wiederholen können.“

 

Der private Dienstleister European Homecare (EHC) aus Essen, der die Notunterkunft in der Burbacher Siegerlandkaserne betreibt, ist auch im Südwesten tätig. Nach Angaben des Integrationsministeriums gilt dies für Karlsruhe, Mannheim, Heidelberg und künftig auch für Meßstetten. Das Unternehmen sei für die „Tagesbetreuung“ zuständig, worunter etwa die Zuweisung der Zimmer zu verstehen ist, die Kleiderausgabe, der Betrieb der Sanitäranlagen oder auch die medizinische Betreuung – nicht aber der Sicherheitsbereich.

EHC wurde nach eigenen Angaben 1989 für den Betrieb von Wohnheimen für Asylbewerber und andere Flüchtlinge gegründet. Derzeit unterhält das Unternehmen etwa 40 derartige Einrichtungen. Die Wachleute, denen die Misshandlung von Flüchtlingen vorgeworfen wird, sind bei einem Subunternehmen von EHC beschäftigt.

Direkte Verträge mit den Wachdiensten

Im Südwesten liegen die Verhältnisse insofern anders, als das bei der Erstaufnahme der Flüchtlinge federführende Regierungspräsidium Karlsruhe direkt die Verträge mit den Wachdiensten abschließt. „Wir nehmen die aktuellen Vorgänge zum Anlass, von den Mitarbeitern in den Einrichtungen Führungszeugnisse nachzufordern, wo sie noch nicht vorliegen“, sagte ein Behördensprecher. Das ist deshalb von Bedeutung, weil mehrere der Wachleute in Nordrhein-Westfalen in der Vergangenheit bereits auffällig geworden sind. So soll gegen zwei von ihnen wegen Diebstahls, Körperverletzung, Betrugs und Drogendelikten ermittelt worden sein. Nach der Gewerbeordnung kann einem Bewachungsunternehmen die Beschäftigung von Personen verboten werden, wenn diese „die für ihre Tätigkeit erforderliche Zuverlässigkeit nicht besitzen“. Das Regierungspräsidium will die Sicherheitsfirmen auch verpflichten, täglich Berichte über alle relevanten Vorkommnisse vorzulegen. Zudem soll die Polizei die fraglichen Einrichtungen regelmäßig begehen.

Grafik: Flüchtlingsheime (mit mehr als 20 Plätze) in Stuttgart

Die Grenzen der Polizei

Doch ist die Sicherheit in den Aufnahmeeinrichtungen nicht Sache der Polizei? Im Prinzip schon, sagt Rüdiger Seidenspinner, der Landeschef der Gewerkschaft der Polizei. „Menschen mit unterschiedlichen Charakteren und ganz verschiedenen Leidensgeschichten treffen aufeinander“, sagt Seidenspinner – und das in immer größerer Zahl. „Es ist eine polizeiliche Aufgabe, dort aufzupassen, dass nichts passiert.“ Allerdings bedürfe es dazu ausreichender personeller Ressourcen: „So, wie wir jetzt aufgestellt sind, erreichen wir schnell die Grenzen unserer Möglichkeiten.“

Die Grünen im Landtag verlangen von der Regierung Auskunft über die privaten Sicherheitsdienste in den Flüchtlingsunterkünften. Vizefraktionschef Hans-Ulrich Sckerl sagte, der Schutz der Heime sei eine wichtige staatliche Aufgabe – und damit Sache der Polizei. „Private Sicherheitsdienste sind dafür nicht geeignet.“ In Stuttgart gab es in den vergangenen Jahren nur wenige Probleme bei der Flüchtlingsunterbringung. Deshalb verzichtet die Stadt auf den Einsatz von ständigen Wachdiensten – mit einer Ausnahme. „In einer einzigen von insgesamt 67 Unterkünften haben wir einen 24-Stunden-Wachdienst engagiert“, betont Stefan Spatz vom Stuttgarter Sozialamt. „Dort haben wir Flüchtlinge untergebracht, die in Konflikt mit der Hausordnung gekommen sind.“ In den meisten Fällen gehe es dabei um Alkoholmissbrauch und Lärmbelästigung.

Stuttgart verbietet Subunternehmer im Wachdienst

Ganz ohne Kontrolle will man aber auch in Stuttgart die anderen Unterkünfte im Stadtgebiet nicht lassen. Aus diesem Grund fährt ein mobiler Wachdienst regelmäßig alle Häuser ab. Spatz unterstreicht, dass die Stadtverwaltung hohe Ansprüche an die Angestellten dieser Sicherheitsunternehmen stelle. Das gehe über die Präsentation der polizeilichen Führungszeugnisse hinaus. „Die Wachdienste müssen ihren Leuten ein Tarifgehalt bezahlen, sie dürfen keine Subunternehmer anstellen, und wir stehen in ständigem Kontakt mit den Angestellten“, sagt Spatz: „Die Stadt als Träger der Unterkünfte sieht sich da in der Pflicht.“ Aus diesem Grund sei man auch eng mit den sozialen Einrichtungen wie der Caritas oder der Arbeiterwohlfahrt vernetzt, denen die Heimleitung und die Betreuung übertragen worden ist. In solch einem engmaschigen System würden Schwierigkeiten sofort auffallen und gemeldet werden, zeigt sich Spatz überzeugt.