Derweil hält der niederländische Chefdiplomat Bert Koenders den Westen für „ernsthaft krank, bedroht nicht von autoritären Mächten von außen, sondern im Innern“. Er nimmt sein Land nicht aus, Hauptadressat ist aber der US-Präsident. Als dessen größte Fans wiederum treten der saudische Außenminister Adel al-Dschubeir („Trump ist ein pragmatischer Problemlöser“) und sein britischer Amtskollege Boris Johnson auf, der als Gesicht der lügenbasierten Brexit-Kampagne seinen Teil zur Krise des Westens beigetragen hat. „Gebt Donald Trump eine Chance!“, lautet Johnsons Appell.

 

Viel Lob gibt es für die amerikanische Delegation, die fast in Bestbesetzung zum ersten Rendezvous mit Europa in Europa angetreten ist: Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen ruft den neuen Amtskollegen James Mattis bereits liebevoll „Jim“, Innenminister Thomas de Maizière erwartet nach „einem ersten sehr guten Gespräch mit Heimatschutzminister John Kelly ein außergewöhnlich hohes Maß an Kontinuität“. Der niederländische Außenminister Bert Koenders wiederum erzählt von einem langen Gespräch mit dem US-Kollegen Rex Tillerson zuvor in Bonn, das er als „extrem beruhigend“ bezeichnet. Zu Syrien, Russland oder der Ukraine sagen die Amerikaner vieles, was die Europäer hören wollen.

Für Pence kommt Frieden nur von Stärke

Die mit Spannung erwartete Rede von US-Vizepräsident Michael Pence klingt ebenfalls so, als wäre sie in Brüssel oder Berlin geschrieben worden. Ist sie natürlich nicht. Sonst wäre wohl nicht davon die Rede gewesen, dass „Frieden nur von Stärke“ kommt, während sich für Bundeskanzlerin Angela Merkel „Gefahren nur gemeinsam bewältigen“ lassen. Ein Zufall ist es aber nicht, dass der Mann aus Indiana an die 1100 Soldatenleben erinnert, die Europas Nato-Staaten im Antiterrorkampf nach dem 11. September verloren haben. Die Bundesregierung hat im Vorfeld daran gearbeitet, dass er so etwas sagt, sich für die Solidarität der anderen Nato-Mitglieder bedankt. Kleine Zweifel sollen so in Donald Trumps Gedankenwelt eingepflanzt werden, wonach alles „eine Katastrophe“ oder „ein totales Desaster“ gewesen ist, bevor er ins Weiße Haus zog. Größter Erfolg der Beeinflussungsstrategie ist dieser Satz von Pence: „Wir werden an Europas Seite stehen, heute und jeden Tag, da wir verbunden sind durch dieselben hohen Ideale Freiheit, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit.“

Als Förderunterricht für neu in die Klasse gekommene Schüler lässt sich auch Merkels Rede lesen. Es wird kein sicherheitspolitischer Fachvortrag, wie man ihn üblicherweise an die Sicherheitspolitiker der Münchner Konferenz richtet, sondern eine Art Abc westlicher Politik: Warum soll sie „so streng“ mit Russland sein? Weil der Kreml auf der Krim und in der Ostukraine das Grundprinzip der territorialen Integrität verletzt hat, worauf die Nachkriegsordnung beruht. Warum will sich Merkel zwar nicht dem amerikanischen Wunsch nach höheren Verteidigungsausgaben verschließen, aber auch keine „kleinliche Diskussion“ darüber führen? Weil Sicherheit „im umfassenden Sinn des Begriffs“ verstanden werden müsse und auch „mehr Entwicklungshilfe“ benötigt. Um nicht zu belehrend zu wirken, streut Merkel Selbstkritisches ein, etwa das Eingeständnis, Europa könne sich selbst kaum verteidigen: „Wir brauchen die militärische Kraft der Vereinigten Staaten.“

Eugen Drewermann wettert gegen alles Militärische

Die Demonstranten am Eingang zur Fußgängerzone sehen das anders und protestieren, vor einem Feuerwehrauto, „gegen die Kriegsbrandstifter von der Sicherheitskonferenz“. Die meisten kennen sich seit Jahren, zwei Ergraute sagen, sie hätten sich „schon in Mutlangen wegtragen lassen“. Ansonsten erscheinen am Stachus kommunistische Gruppen und linke Formationen jeder Gestalt – auch jene massiven Figuren vom Motorradclub Kuhle Wampe, die mit Regenbogen-Friedensfahnen den Zug durch die City anführen.

Viel Lob für die amerikanische Delegation

Derweil hält der niederländische Chefdiplomat Bert Koenders den Westen für „ernsthaft krank, bedroht nicht von autoritären Mächten von außen, sondern im Innern“. Er nimmt sein Land nicht aus, Hauptadressat ist aber der US-Präsident. Als dessen größte Fans wiederum treten der saudische Außenminister Adel al-Dschubeir („Trump ist ein pragmatischer Problemlöser“) und sein britischer Amtskollege Boris Johnson auf, der als Gesicht der lügenbasierten Brexit-Kampagne seinen Teil zur Krise des Westens beigetragen hat. „Gebt Donald Trump eine Chance!“, lautet Johnsons Appell.

Viel Lob gibt es für die amerikanische Delegation, die fast in Bestbesetzung zum ersten Rendezvous mit Europa in Europa angetreten ist: Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen ruft den neuen Amtskollegen James Mattis bereits liebevoll „Jim“, Innenminister Thomas de Maizière erwartet nach „einem ersten sehr guten Gespräch mit Heimatschutzminister John Kelly ein außergewöhnlich hohes Maß an Kontinuität“. Der niederländische Außenminister Bert Koenders wiederum erzählt von einem langen Gespräch mit dem US-Kollegen Rex Tillerson zuvor in Bonn, das er als „extrem beruhigend“ bezeichnet. Zu Syrien, Russland oder der Ukraine sagen die Amerikaner vieles, was die Europäer hören wollen.

Für Pence kommt Frieden nur von Stärke

Die mit Spannung erwartete Rede von US-Vizepräsident Michael Pence klingt ebenfalls so, als wäre sie in Brüssel oder Berlin geschrieben worden. Ist sie natürlich nicht. Sonst wäre wohl nicht davon die Rede gewesen, dass „Frieden nur von Stärke“ kommt, während sich für Bundeskanzlerin Angela Merkel „Gefahren nur gemeinsam bewältigen“ lassen. Ein Zufall ist es aber nicht, dass der Mann aus Indiana an die 1100 Soldatenleben erinnert, die Europas Nato-Staaten im Antiterrorkampf nach dem 11. September verloren haben. Die Bundesregierung hat im Vorfeld daran gearbeitet, dass er so etwas sagt, sich für die Solidarität der anderen Nato-Mitglieder bedankt. Kleine Zweifel sollen so in Donald Trumps Gedankenwelt eingepflanzt werden, wonach alles „eine Katastrophe“ oder „ein totales Desaster“ gewesen ist, bevor er ins Weiße Haus zog. Größter Erfolg der Beeinflussungsstrategie ist dieser Satz von Pence: „Wir werden an Europas Seite stehen, heute und jeden Tag, da wir verbunden sind durch dieselben hohen Ideale Freiheit, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit.“

Als Förderunterricht für neu in die Klasse gekommene Schüler lässt sich auch Merkels Rede lesen. Es wird kein sicherheitspolitischer Fachvortrag, wie man ihn üblicherweise an die Sicherheitspolitiker der Münchner Konferenz richtet, sondern eine Art Abc westlicher Politik: Warum soll sie „so streng“ mit Russland sein? Weil der Kreml auf der Krim und in der Ostukraine das Grundprinzip der territorialen Integrität verletzt hat, worauf die Nachkriegsordnung beruht. Warum will sich Merkel zwar nicht dem amerikanischen Wunsch nach höheren Verteidigungsausgaben verschließen, aber auch keine „kleinliche Diskussion“ darüber führen? Weil Sicherheit „im umfassenden Sinn des Begriffs“ verstanden werden müsse und auch „mehr Entwicklungshilfe“ benötigt. Um nicht zu belehrend zu wirken, streut Merkel Selbstkritisches ein, etwa das Eingeständnis, Europa könne sich selbst kaum verteidigen: „Wir brauchen die militärische Kraft der Vereinigten Staaten.“

Eugen Drewermann wettert gegen alles Militärische

Die Demonstranten am Eingang zur Fußgängerzone sehen das anders und protestieren, vor einem Feuerwehrauto, „gegen die Kriegsbrandstifter von der Sicherheitskonferenz“. Die meisten kennen sich seit Jahren, zwei Ergraute sagen, sie hätten sich „schon in Mutlangen wegtragen lassen“. Ansonsten erscheinen am Stachus kommunistische Gruppen und linke Formationen jeder Gestalt – auch jene massiven Figuren vom Motorradclub Kuhle Wampe, die mit Regenbogen-Friedensfahnen den Zug durch die City anführen.

Das Highlight wartet am Marienplatz: die Abschlusskundgebung mit dem Radikalpazifisten Eugen Drewermann, der mit seinen 76 Jahren immer noch ein verlässlich fulminanter Redner ist. Er wettert gegen alles Militärische – „Soldaten sind Mörder!“ –, er sagt, was die Amerikaner und die Nato im Irak oder in Afghanistan angerichtet hätten, habe mindestens hundertmal so viele Opfer gefordert wie der als so gefährlich hingestellte Terror. Und wenn die USA vor einem Cyberkrieg warnten, sei das doch nackte Heuchelei. Sie selber führten einen Cyberkrieg gegen die ganze Welt, sie überwachten alles in Deutschland seit den Zeiten Konrad Adenauers.

1350 bilaterale Gepräche werden geführt

Nicht weit entfernt führt zur gleichen Zeit dessen erste weibliche Nachfolgerin im Amt mit Pence ein einstündiges Gespräch – eines von 1350 bilateralen Gesprächen der Sicherheitskonferenz. Die „Bilat Area“ im Bayerischen Hof, wo sich beidseits der Flure die Konferenzräume aneinanderreihen, ist der Ort, um sich diplomatisch näher zu kommen. Ein Berliner Regierungsmitglied bestätigt später beim Bier an der Bar, dass „auf der Fachebene Profis am Werk sind und es mit den Ministern gut läuft“. Gemeint ist damit auch Pence. In dem Satz schwingt dennoch weiter die Unsicherheit mit, die auch die Tage von München nicht haben ganz ausräumen können.

Den Teilnehmern steckt noch Trumps surreal anmutende Pressekonferenz und sein Tweet in den Knochen, in dem er Zeitungen und TV-Sender als „Fake-News-Medien“ und „Feinde des amerikanischen Volkes“ bezeichnete. „Die salbungsvolle Rede von Pence hat nichts zu tun mit dem Präsidenten, der mit seinem Volksverräter-Gefasel mal eben die Pressefreiheit infrage stellt.“ Das sagt der Grünen-Bundestagsabgeordnete Omid Nouripour, als Deutsch-Iraner zwischenzeitlich selbst von Trumps Einreisestopp-Dekret betroffen.

Der Einfluss der Minister auf Trump bleibt unklar

Michael Pence kennt diese Sorgen ganz offensichtlich. Er spricht deshalb nicht für sich, sondern im Namen seines Chefs, bezeichnet das Nato-Bekenntnis als „Versprechen von Präsident Trump“. Vom Teleprompter liest er ab und lässt die angekündigte Fragerunde im Anschluss platzen. Darf der Vize also nur vortragen, was ihm der Präsident zur Beruhigung der Verbündeten mit auf den Weg gegeben hat? Spricht aus ihm doch ein berechenbarer Trump, den die Welt nur noch nicht kennt?

Das würden sie in der Regierung gerne glauben. „Wir wissen aber immer noch nicht, welchen Einfluss die Minister auf Trump überhaupt haben“, berichtet der Mann an der Bar. Entscheidet am Ende doch, wie auf der Konferenz gelegentlich zu hören ist, „die Breitbart-Clique“? Gemeint ist das Team rund um Trumps Chefberater Stephen Bannon, der das gleichnamige Nachrichtenportal der US-Rechten geleitet und populär gemacht hat. „Das ist die große offene Frage“, sagt das Regierungsmitglied. „Henry Kissinger hat ja einmal nach Europas Telefonnummer gefragt“, meint der CDU-Bundestagsabgeordnete Gunther Krichbaum: „Nun fragen wir uns, welche Nummer die USA haben.“

Die von John McCain ist es zum Leidwesen vieler nicht. Der Senator mit republikanischem Parteibuch ist der amerikanische Star der Sicherheitskonferenz, weil er die Hoffnung verstärkt, der demokratisch gewählte Trump werde notfalls wieder demokratisch gestoppt. „Meine Aufgabe als Kongressmitglied ist es, den Präsidenten zu unterstützen auf Feldern, in denen wir übereinstimmen, aber wenn das nicht der Fall ist, werde ich meine Stimme erheben und die mir von der Verfassung verliehene Verantwortung wahrnehmen“, gelobt McCain. Er fügt scherzhaft hinzu: „Dann werde ich wohl Gegenstand eines Tweets sein.“

Draußen ist die Demo zu Ende, Applaus, Selfies, Fahnenschwenken, man geht Kaffee trinken. „Zu außergewöhnlichen Störungen oder auch Sicherheitsbeeinträchtigungen kam es insgesamt nicht“, resümiert die Polizei. Das gilt zumindest für München – weltweit gilt das leider nicht.