Die Anteilseigner üben Kritik am Kurs des Münchner Siemens-Konzerns und seinem Vorstandschef. Doch Joe Kaeser kann den Karren aus dem Dreck zieht. Aber vielleicht muss er den Konzern aufspalten, meint StZ-Korrespondent Thomas Magenheim.

München - Er galt als der richtige Mann zur richtigen Zeit auf dem Chefsessel bei Siemens. Joe Kaeser werde den Karren aus dem Dreck ziehen, nachdem er Peter Löscher beerbt hat. Dessen waren sich viele im Sommer 2013 sicher. Nun sind Zweifel aufgetaucht. Ehrlicherweise muss erwähnt werden, dass Kaeser sich selbst nie als Heilsbringer dargestellt und von Anfang an harte Arbeit vorausgesagt hatte. Das bewahrheitet sich nun. Allein deshalb muss man sich davor hüten, schon jetzt ein abschließendes Urteil zu fällen. Das gilt auch für den immer heftiger kritisierten Kauf des US-Konzerns Dresser-Rand. Im Licht des dramatischen Ölpreisverfalls wirkt die Übernahme zumindest zum jetzigen Zeitpunkt als sehr unglücklich und überteuert. Die alte Erkenntnis „Siemens kann keine Zukäufe“ scheint erneut und auch vom Hoffnungsträger Kaeser bestätigt zu werden. Aber welcher Experte hat vor Jahresfrist vorhersagen können, wo der Ölpreis heute steht? Er ist zum Politikum geworden, zu einem Instrument, auch geeignet, russische Machtgelüste zu zügeln; die Preisbildung ist damit ein gutes Stück irrational. Wie lange die Niedrigpreis-Phase anhält, weiß niemand. Doch auf keinen Fall ist bereits das letzte Wort darüber gesprochen, ob Dresser-Rand sich in die Liste letztlich gefloppter Zukäufe einreiht.

 

Kurzfristig entscheidender für Siemens ist ohnehin, wie Kaeser den bevorstehenden Stellenabbau managt. Der Hausfrieden ist bei jedem Konzern ein hohes Gut. Bei Siemens, wahrlich kein Unternehmen wie andere und politisch wie wenige, gilt das besonders. Hier läuft kaum etwas gegen die im Haus mächtige IG Metall. Eine Milliarde Euro will Kaeser sparen. Das ist bekannt. Wie viele Arbeitsplätze das kostet, hat er aber sträflich lange offengelassen und damit Unruhe geschürt. Es wird auch darauf ankommen, wie Kaeser den Stellenabbau gegenüber der Belegschaft kommuniziert und begründet. Die Baustellen im Haus sind erkannt, und sie sind vielfältig. Betroffen sind vor allem die Kraftwerkssparte und die Medizintechnik, der Konzern leidet zudem insgesamt an einer Wachstums- und Ertragsschwäche.

Kaeser kann alles in den Griff bekommen. Eine Garantie dafür gibt es nicht. Am Ende könnte auch die Erkenntnis stehen, dass ein Gigant wie Siemens nicht hinreichend reformierbar ist und sich aufspalten muss.