Mit einer Fusion würden Siemens und Bombardier den europäischen Markt dominieren. In der Branche gelten die Planspiele deshalb bisher als wenig aussichtsreich. Doch politischer Druck könnte das ändern.

Korrespondenten: Thomas Wüpper (wüp)

Berlin - Zumindest an der Börse sorgten die jüngsten Spekulationen über eine mögliche Fusion der Zugsparten von Bombardier und Siemens für einige Aufregung. Die seit Langem dümpelnde Aktie des kanadischen Konzerns legte in kurzer Zeit um rund 18 Prozent zu. Einigen Aktienzockern brachten die Mutmaßungen also womöglich satte Gewinne. Besonders nachhaltig aber war die Botschaft nicht: Die Bombardier-Aktie hat bereits wieder an Wert verloren und notiert nur noch bei einem Zehntel einstiger Höchstwerte zur Jahrtausendwende.

 

Die schnell wieder verflogene Euphorie an der Börse verwundert kaum. Weder der Münchner Elektrokonzern noch der kriselnde Flugzeug- und Bahnhersteller aus Montreal bestätigen Gespräche über eine Allianz der Bahnsparten. Man kommentiere solche Spekulationen nicht, teilen auf Anfrage unserer Redaktion beide Konzernzentralen fast gleichlautend mit. Das schließt natürlich nicht aus, dass hinter den Kulissen längst erneut Chancen einer Ehe ausgelotet werden. Allerdings stehen noch immer einige hohe Hürden einer Hochzeit im Weg.

Das gilt besonders für die Wettbewerbsbehörden. Schon jetzt beherrschen mit Marktführer Bombardier, dem ICE-Produzenten Siemens und dem französischen TGV-Hersteller Alstom nur wenige Systemanbieter den Markt in Europa. Jeglicher Schulterschluss dieser Riesen würde die Auswahl an Zuglieferanten und Infrastruktur-Ausstattern für Kunden wie die Deutsche Bahn und andere Verkehrsunternehmen noch mehr einschränken.

Züge und Infrastruktur könnten sich verteuern

Die Folge: Züge und Infrastruktur könnten sich verteuern, die Bahnunternehmen hätten höhere Kosten zu tragen, und am Ende könnten dadurch die Fahrpreise für alle Reisenden auf der Schiene steigen. Die Kartellbehörden nehmen deshalb jede Annäherung der Oligopolisten zu Recht besonders genau unter die Lupe. Strenge Auflagen zur Abgabe einzelner Aktivitäten und Werke wären gewiss, sofern es überhaupt eine Genehmigung gäbe.

Für eine Freigabe könnte allenfalls politischer Druck sorgen. Auch die Bundesregierung sei über die Pläne informiert, heißt es. Dort fürchtet man im Wahljahr eine Entlassungswelle in den Bombardier-Werken, die vor allem in Ostdeutschland in einigen strukturschwachen Regionen der letzte größere industrielle Kern sind.

Mehrfach verliefen Versuche für Allianzen in der Bahnindustrie bereits im Sande. So nahmen Siemens und Bombardier zuletzt 2015 einen Anlauf, der öffentlich dementiert wurde. Auch ein Bündnis zwischen Alstom und den Münchnern stand zur Debatte, beschäftigte monatelang auch die Regierungen in Paris und Berlin. Es kam aber ebenfalls außer viel heißer Luft nichts dabei heraus, obwohl auf höchster politischer Ebene verhandelt wurde.

Aktuell steckt Bombardier in der Krise

Grund für die Eheversuche sind meist die Probleme einzelner Anbieter. Aktuell steckt Bombardier in der Krise. An den sieben deutschen Standorten Hennigsdorf, Görlitz, Bautzen, Kassel, Mannheim, Braunschweig und Siegen wurden schon 1430 Jobs gekappt, 8500 sind noch übrig. Weitere Rotstiftpläne für die Streichung von 5000 Stellen weltweit sorgen seit Monaten für Unruhe.

Ähnlich wie die Herstellung von Flugzeugen ist die Produktion moderner Schienenfahrzeuge eine teure, komplexe und langwierige Sache. Die Entwicklung neuer Hochgeschwindigkeitszüge bis zur Serienreife und die Umsetzung neuer Schienenprojekte ist so aufwendig, dass sich solche Investitionen nur wenige Konzerne weltweit leisten können und wollen. Sogar Multis wie Daimler und ABB gaben vor Jahren auf und verkauften ihre Bahntochter Adtranz an Bombardier.

Gerade große Schienenprojekte und Zugbestellungen sind stark von konjunkturellen Schwankungen, staatlichen Budgets und der politischen Weltlage abhängig. So übernehmen in China, dem mit Abstand größten Markt der Welt, die dortigen Unternehmen immer mehr Projekte selbst, nachdem westliche Konzerne zuvor die Technik geliefert haben. Mit CRRC ist dort inzwischen durch eine Großfusion ein Riese entstanden, der größer ist als Bombardier, Siemens und Alstom zusammen und neben dem Heimatmarkt auch zunehmend im Ausland aktiv ist.