Die Luther-Gemeinde reagiert auf die Kritik aus der Nachbarschaft und ändert die Läuteordnung.

Sillenbuch - Es ist an diesem Abend nicht zuletzt um die Atmosphäre gegangen, aber es ging auch um eine Entscheidung. Pfarrer Hans-Ulrich Gehring hatte Nachbarn der evangelischen Martin-Luther-Kirche in Sillenbuch am Dienstag zu einer Sitzung der Kirchengemeinderäte geladen. In deren Anwesenheit und im Austausch mit ihnen sollte das Gremium der Räte entscheiden, ob die nach Ostern geänderte Läuteordnung erneut reformiert werden soll. Und in der Tat entschieden sie sich in zwei geheimen Wahlgängen zunächst für die erneute Reform und dann für ein Zugehen auf die Kritiker der Läuteordnung, die nach Ostern heftige Auseinandersetzungen verursacht hat.

 

Die Glocken sollen künftig an Werktagen morgens erst um acht Uhr läuten. Damit soll enden, was in den vergangenen Wochen ein getrübtes, bisweilen vergiftetes Verhältnis zwischen der Martin-Luther-Gemeinde und einigen ihrer Nachbarn verursacht hat.

Anlass für Streit und Polemik war die nach Ostern in Kraft getretene Läuteordnung der Kirche. Sie rief die Gläubigen um 7, 12 und um 18 Uhr mit Glockenschlägen zum dreiminütigen Gebet auf. Zuvor hatten die Glocken um 16 und 19 Uhr geschlagen. Die Kirche wollte aber ein hörbares Zeichen dafür setzen, dass Kirchenglocken den Tagesablauf markieren und die Menschen zur Besinnung in ihrem Alltag aufrufen sollen.

„Ich will selbst entscheiden, wann ich aufstehe“

Einige Nachbarn reagierten ablehnend bis empört auf das frühere Schlagen der Kirchenglocken. Sie fühlten sich gestört und aus dem Schlaf gerissen. Auch bei der Sitzung des Kirchengemeinderats in Anwesenheit der kritischen Nachbarn wurde der Konflikt deutlich. Letztlich standen sich bei der Diskussion im Martin-Luther-Saal ein kirchliches Beharren auf eine religiöse Prägung des Alltags und das wachsende Selbstbewusstsein einer weltlichen und auch zunehmend religionsfremden Öffentlichkeit gegenüber. Hans-Ulrich Gehring blieb bei dem Standpunkt, dass 7 Uhr eigentlich die passende Zeit für ein erstes Läuten sei. „Da stehen die Familien auf, die Eltern, die ihre Kinder für die Schule vorbereiten. Um 7 Uhr morgens beginnt für die Menschen der Tag.“

Unter den anwesenden Nachbarn rief diese Aussage Ablehnung hervor. Nicht nur wurde darauf hingewiesen, dass viele Arbeitnehmer in Gleitzeit tätig sind und einen ganz anderen Tagesrhythmus haben, es ging auch um Grundsätzliches. „Ich will nicht, dass die Kirche mich weckt. Ich will selbst entscheiden, wann ich aufstehe“, sagte ein Teilnehmer.

Die Anwohner schlugen deshalb auch vor, dass die Kirche zur alten Läuteordnung mit zweimaligem Läuten am Nachmittag und Abend zurückkehren sollte. Der Pfarrer Hans-Ulrich Gehring stellte klar, dass eine solche Lösung nicht zur Debatte steht. Einige Anwohner dürfte diese Entschiedenheit wenig gefallen haben. Sie kritisierten auch den Stil der Kirche und die Art, wie Entscheidungen über das Glockenläuten gefällt werden. „Das wird einfach durchgezogen“, hieß es mehrfach. Gehring verwies darauf, dass die Kirche immer wieder das Gespräch mit den Betroffenen gesucht habe – Ende Mai bei einem Anwohnergespräch und letztlich eben auch an diesem Abend. Dennoch, am morgendlichen Läuten wollte die Kirche in jedem Fall festhalten, und auch die Kompromissbereitschaft, über eine andere Uhrzeit für das erste Läuten zu diskutieren, schien manchen Räten Bauchschmerzen zu verursachen.

Das drückte sich in Stellungnahmen der Kirchengemeinderäte aus. Wie der Pfarrer Gehring betonten die meisten, dass sie den frühen Glockenschlag eigentlich für optimal halten. Immer wieder wurde auch formuliert, dass es doch für die kritischen Anwohner möglich sein müsste, sich an das frühe Glockenläuten zu gewöhnen. Am Ende entschieden sich die Kirchengemeinderäte aber dann für die zeitliche Verschiebung des ersten Läutens. Die Anwohner schienen mit dem Kompromiss leben zu können, zumindest verrieten das ihre zufriedenen Mienen. Sie können künftig wieder länger schlafen.