Was haben sich deutsche und russische Jugendliche zu sagen? Amelie Stelzner aus Sillenbuch hat es erfahren. Die 24-jährige Studentin war beim zehnten Deutsch-Russischen Jugendparlament dabei. Offener Austausch ist mit Risiko verbunden.

Sillenbuch - Da saßen sie gemeinsam auf den Sitzen des brandenburgischen Parlaments und hätten bisweilen doch nicht weiter voneinander entfernt sein können. Die Annexion der Krim, der Krieg in der Ukraine – bei manchen Themen sei es schwierig gewesen, mit russischen Jugendlichen und jungen Erwachsenen auf einen Nenner zu kommen, sagt die 24-jährige Sillenbucherin Amelie Stelzner.

 

Sie drückt sich zurückhaltend aus. Wie eine junge Diplomatin scheint sie um Mäßigung bemüht zu sein und wägt jedes ihrer Worte ab. „Schwierig“ erscheint dann auch wie eine moderate Beschreibung für ihre verbalen Bemühungen im Gespräch mit den jungen Russen. „Ich habe nicht widersprochen, sondern höchstens mal nachgefragt“, sagt Amelie Stelzner.

Offener Meinungsaustausch birgt Gefahren

Der offene Meinungsaustausch birgt im Jahr nach dem Beginn der Ukrainekrise zwischen den Jugendlichen offenbar das Risiko eines Streits. Das passt zu den frostigen Beziehungen zwischen West und Ost. Russische Langstreckenbomber spielen mit Nato-Aufklärern am Himmel über Europa Katz und Maus wie in alten Zeiten. Und auch Deutschland ist nicht mehr das westliche Land, mit dem Russland sich noch am besten versteht. Dass das Jugendparlament zwischen beiden Ländern in derart angespannten Zeiten überhaupt tagte, ist da an sich schon eine Nachricht.

Amelie Stelzner spricht Russisch und hat ein Semester im sibirischen Tomsk studiert. Sie studiert Europäische Studien in Leipzig und hat einen Schwerpunkt auf Mittel- und Osteuropa gesetzt. Das sei ein spannendes Thema, sagt sie ohne Ironie angesichts der Spannungen im Osten des Kontinents. Für sie sei es wichtig, sich in die Lage der Russen hineinzuversetzen, ohne dabei die eigenen Standpunkte aufzugeben. Das klappt nicht immer. „Über Homosexuellenrechte wollte ich nicht diskutieren“, sagt die 24-Jährige.

Das von der Stiftung Deutsch-Russischer Jugendaustausch seit 2006 organisierte Jugendparlament diente aber nicht als weitere Plattform zunehmender Sprachlosigkeit über Endlos-Streitpunkte wie die Ukraine und die Menschenrechte in Russland. Es wurde konkret wie in einem Parlament eine Debatte über die Freiheit des Internets geführt. Deutsche und russische Jugendliche taten sich in vier Parteien zusammen, die eine Koalition und eine Opposition bildeten. Gemeinsam wurden dann Gesetze zur Internetnutzung verabschiedet. Amelie Stelzner schloss sich der Fraktion für „Recht und Stabilität“ an.

Allein aus russischen Medien zu wenig Information

Sie beschreibt, dass es in der Sache durchaus möglich war, in den gemischten Fraktionen Standpunkte zu entwickeln. Auf der anderen Seite gehöre gerade die Freiheit der Medien zu den Punkten, bei den Russen oft irritiert reagieren, sagt Stelzner.

„Viele sehen es nicht so, dass in Russland Rechte auch bei der Meinungsäußerung im Internet massiv beschnitten würden.“ Andere Jugendliche würden aber durchaus zugeben, dass sie sich im Internet auch bei deutschen Medien informieren würden. „Sie sagen, dass sie sich allein aus russischen Medien nicht umfassend informieren könnten“, erzählt Amelie Stelzner.

Sie möchte auch 2015 am Deutsch-russischen Jugendparlament teilnehmen. Dann wird der Gastgeber Russland sein. Trotz aller Differenzen gefällt Stelzner der Geist, der bei der Veranstaltung herrscht. „Wir haben Interesse aneinander, und wir wollen miteinander zu tun haben.“