Daimler sponsert ein Musical der Sindelfinger Bürgerstiftung mit Flüchtlingen und Einheimischen. 70 Menschen aus 15 Nationen machen mit.

Sindelfingen - Zafer Momeni singt vom Eingesperrtsein, vom Mundhalten und der Angst vor der Polizei. In seiner Heimat – der 18-jährige Afghane wuchs im Iran auf – konnte er nur im Untergrund seiner Leidenschaft für Rapmusik nachgehen. Junge Rapper wie Zafer sind dem iranischen Staat suspekt. Seit acht Monaten nun lebt der Flüchtling in Holzgerlingen in einer betreuten Wohngemeinschaft der Jugendhilfeeinrichtung Waldhaus, er besucht die Vorbereitungsklasse der Sindelfinger Gottlieb-Daimler-Schule. Jetzt träumt er von einer Musikerkarriere in Deutschland. Vielleicht ist sein Auftritt beim Musical der Sindelfinger Bürgerstiftung demnächst in der Stadthalle ja der Einstieg dazu. Eigens dafür hat er einen Song verfasst – in seiner Muttersprache Farsi. „Sinfonie unseres Lebens“ heißt das Musical, das neueste Projekt der Bürgerstiftung. Im Mittelpunkt stehen Flüchtlinge aus Sindelfinger Schulen und Wohnheimen. Sie bringen ihre Geschichten ein, erzählen sie in ihrer Sprache und begleiten sie mit ihrer Musik.

 

Alaa Hesso stimmt mit seiner Gitarre ein kurdisches Lied an. Auch wenn man die Worte nicht versteht, die Traurigkeit ist spürbar. Die Sehnsucht des Sängers nach der Heimat, die er verlassen musste. Das Heimweh von Lola Scarinci Nsimba ist längst einem neuen Heimatgefühl gewichen. Seit 31 Jahren lebt die Frau aus dem Kongo in Sindelfingen, engagiert sich mit dem Verein Afrika-Progressive-movement beim Internationalen Straßenfest. Rhythmisch und fröhlich ist ihr Segenslied für die Stadt. „Sindelfingen ist mein Leben“, sagt sie. Ihre vier Kinder sind hier zur Welt gekommen, der Goldberg ihre neue Heimat.

Seit Januar treffen sich 70 Menschen aus 15 Nationen ein- bis zweimal pro Woche unter der Regie des Stuttgarter Komponisten und Dirigenten Adrian Werum in der Sommerhofenschule. Den Grundstock bildet der Chor des Stadtjubiläum-Musicals „Sirenen der Heimat“. „Doch wir können noch mehr Sänger der etablierten Sindelfinger Kultur gebrauchen“, sagt Werum, der bereits die Musik für das Jubiläumsstück komponiert hatte. Die neue Produktion ist kein fertiges Stück, die Teilnehmer entwickeln es gemeinsam.

50 000 Euro von Daimler

Zur Seite stehen Werum drei Regisseure aus dem arabisch-persischen Raum. Yousof Neisi hat im Iran als Filmregisseur gearbeitet, sein Landsmann Ramin Motahajer Pasand bei Theater- und Kinoinszenierungen Regie geführt. Der Palästinenser Adham Numan bringt Schauspielerfahrung vom Theater in Hebron mit.

Die eigene Geschichte sowie die Fluchterlebnisse der Teilnehmer fließen in die Szenen ein, die die Regisseure schreiben. Werums Aufgabe ist es dann, die Szenen zu einem Ganzen zusammenzufügen. Ein kritischer Journalist, der bei den Machthabern der Regimes aneckt, steht im Mittelpunkt der Szene von Yousof Neisi.

Der iranische Regisseur ist begeistert vom Projekt. Der 36-Jährige lebt seit zwei Jahren in Sindelfingen, spricht schon gut Deutsch und betreut im Bundesfreiwilligendienst beim Waldhaus jugendliche Flüchtlinge. „Das Musical ist eine Möglichkeit für uns Flüchtlinge, uns mit unseren Geschichten hier vorzustellen.“ Auch Neisis zwölfjährige Tochter Munees macht mit: in der Kindergruppe, die als Trommler die Hintergrundmusik liefert.

Mit 50 000 Euro unterstützt die Daimler AG das Musical. Es ist bereits das dritte interkulturelle Projekt der Bürgerstiftung. „Integration ist einer unserer Schwerpunkte“, sagt Ulrich Weber vom Vorstand. Vor drei Jahren gewannen die Sindelfinger mit dem kultur- und generationenübergreifenden Theaterstück „Alte Koffer, neue Träume“ den ersten Preis beim Ideen-Wettbewerb der Herbert-Quandt-Stiftung.

Die Aufführungen des Musicals, von dem die Mitarbeiter des Mercedes-Benz-Werks bereits bei ihrer Betriebsversammlung eine Kostprobe sehen durften – sind nur ein Ziel. „Vielwichtiger ist die Arbeit jede Woche bei den Proben. Das ist Integration pur“, sagt Ulrich Weber. „Beim Theater gibt es keine Grenzen. Herkunft, Sprache sind egal“, sagt der Palästinenser Adham Numan. „Wir sind ein Team mit einem gemeinsamen Ziel.“ Die Premiere ist am 3. Oktober.