Der DGB-Landesbezirkschef Nikolaus Landgraf hat das Daimler-Werk besucht. Er wendet sich gegen die prekären Arbeitsverhältnisse.

Böblingen/Sindelfingen - Leiharbeit, befristete Arbeitsverhältnisse und Werkverträge – immer mehr Menschen haben unsichere Arbeitsverhältnisse und sind laut dem DGB-Landesbezirksvorsitzenden Nikolaus Landgraf Arbeitnehmer zweiter

 

Klasse. „Das fängt damit an, dass sie vom Kantinenessen und anderen sozialen Leistungen ausgeschlossen sind und gipfelt in einem erhöhten Arbeitsdruck und einer geringeren Bezahlung“, sagte Jörg Munder, der DGB-Regionalsekretär, bei einem Treffen der Gewerkschafter im Böblinger Arbeiterzentrum. Zuvor hatten er und Landgraf Betriebsräte in Unternehmen besucht, unter anderem im Daimler-Werk in Sindelfingen.

Mindestlohn soll angepasst werden

„Die Arbeitsverdichtung und die dadurch wachsende Belastung der Beschäftigten nehmen deutlich zu“, stellte Landgraf fest. Vor diesem Hintergrund müssten besonders die mit einem geringeren Lohn verpflichteten Leiharbeitskräfte und Mitarbeiter mit Werkverträgen auf ein höheres Einkommen gebracht werden. Zwar fanden die DGB-Forderungen mit der Einführung des Mindestlohns von 8,50 Euro pro Stunde vom 1. Januar 2015 an Gehör. Doch gehe es nun darum, dieses Mindestsalär in den nächsten Jahr weiter anzuheben, sagte Landgraf. Näheres ließ er aber nicht verlauten. Vom Jahr 2016 an soll die Höhe der flächendeckenden Lohnuntergrenze alle zwei Jahre von einer Mindestlohn-Kommission festgelegt werden, in der Arbeitgeber und Arbeitnehmer vertreten sind.

Ziel der Gewerkschaften ist es, den Einsatz von Leiharbeitskräften abzubauen, der auch bei Daimler eine übliche Praxis sei, so Landgraf. Laut Anne Katrin Brunsch, der Pressesprecherin des Daimler-Betriebsrats in Sindelfingen, gebe es am Standort rund 2600 Leiharbeitsverhältnisse, davon rund tausend in der Produktion. In Forschung, Entwicklung und Produktion sind im Werk insgesamt 36 000 Menschen beschäftigt. „Früher hieß es, die Leiharbeiter würden für die Auftragsspitzen benötigt. Heute gibt es aber jeden Monat eine solche Auftragsspitze“, kritisierte Landgraf. Der DGB-Landesbezirkschef wies auf die Studie des Tübinger Instituts für angewandte Wirtschaftsforschung hin, wonach der Anteil so genannter atypischer Beschäftigungsformen zwischen den Jahren 2000 und 2012 deutlich zugenommen habe. Die Zahl der befristeten Arbeitsverhältnisse und der Teilzeitjobber sei in diesem Zeitraum in Deutschland um fast die Hälfte gewachsen.

Deutlich weniger Lohn für Fremdarbeiter

Gegenwärtig versucht Daimler, die so genannten prekären Beschäftigungsverhältnisse zu verringern. Laut Brunsch sei eine Quote für befristete Verträge und Leiharbeiter von acht Prozent der Gesamtbelegschaft vereinbart worden. „Sie gilt für die Produktion und wird auch eingehalten“, erklärte Helmut Roth, der stellvertretende Daimler-Betriebsratsvorsitzende und DGB-Kreisverbandschef.

„Das Thema Mindestlohn ist bei Leiharbeitern bei uns wenig brisant. Sie erhalten pro Stunde so viel wie ein bei uns Ausgebildeter, der im Werk übernommen wird: Knapp 19 Euro“, erklärte Roth. Anders aber verhalte es sich bei den Beschäftigten mit Werkverträgen. Die Mitarbeiter arbeiten teilweise zu deutlich niedrigeren Löhnen als bei Daimler üblich ist. Sie werden von Fremdfirmen geschickt und auch von ihnen bezahlt. Wie viele solcher Werkverträge es gibt und was die Leute verdienen, weiß der Betriebsrat nicht. Der Konzern macht dazu keine Angaben. „Es gibt keine Informationspflicht des Arbeitgebers“, monierte Landgraf, das müsse geändert werden.

Im Herbst 2013 hatte das Thema Werkverträge für Turbulenzen gesorgt. Entzündet hatte sich der Konflikt zwischen dem Daimler-Management und der Arbeitnehmervertretung an einer Sozialcharta, die Mindeststandards bei Fremdfirmen definiert. Der damalige Gesamtbetriebsratschef Erich Klemm hatte erklärt, diese Verträge würden geprüft. Daraufhin hatte das Unternehmen angekündigt, 1400 Beschäftige mit Werkverträgen als Leiharbeiter zu übernehmen.