Die 16 Jahre alte Wiebke Brandelik ist die schnelleste Seifkistenrennfahrerin Europas. Angefangen hat alles vor neun Jahren beim Renn-Cup in der Goldmühlestraße. Dort startet sie auch wieder an diesem Samstag.

Sindelfingen - Wiebke Brandelik – diesen Namen hatte niemand auf der Liste. Auch wir nicht.“ Diesen Satz sagt Robert Brandelik, der Vater der 16 Jahre alten Wiebke. Und das blonde Mädchen nickt dazu. „Ich hatte eine sehr schlechte Saison. Dass ich am Ende Deutsche Meisterin und sogar Europameisterin werde, das war für mich selbst eine totale Überraschung.“

 

Gesiegt hat die 16-Jährige in einer ungewöhnlichen Disziplin: dem Seifenkistenrennen. Vor neun Jahren saß sie als kleines Mädchen das erste Mal in einer bunten Holzkiste – quasi auf Anordnung des Vaters, der das Gefährt extra für den ersten Goldberg-Seifenkistenennen-Cup gebaut hatte. Da aber Erwachsene nicht zugelassen waren, musste die Tochter ran. Die fand Gefallen an den rasenden Holzautos. Fortan war der Goldberg-Cup ein fester Termin im Kalender der Familie Brandelik, die praktisch direkt an der knapp 300 Meter langen Rennstrecke wohnt.

Längst ist das Mädchen aus der ersten Seifenkiste mit Namen Wiebke eins herausgewachsen, mittlerweile fährt sie Wiebke sechs – ein feuerrotes Gefährt, das ihr Vater exakt auf die Größe und das Gewicht der 50 Kilogramm leichten Wiebke angepasst hat. „Beim Rennen entscheiden Zehntelsekunden über den Sieg. Und einen großen Anteil daran hat das Auto. Das ist wie bei der Formel eins“, sagt Robert Brandelik, der nicht nur Seifenkistenbauer und Coach seiner Tochter ist, sondern auch aktiv im Vorstand des Seifenkistenverbands Baden-Württemberg.

Bis zu 55 Stundenkilometer schnell

Die Freude an den kleinen Flitzern vereint Vater und Tochter, die ständig auf Wettbewerben sind. Die baden-württembergische Meisterschaft ist Pflichtprogramm und Wiebke hat sich auch schon mehrfach für die Deutsche und Europameisterschaft qualifiziert. Doch dass sie es gleich bei beiden Wettbewerben, die kürzlich in Duisburg ausgetragen wurden, ganz oben aufs Siegertreppchen schafft, das hätte sich das Mädchen nie träumen lassen. Zur „Queen von Duisburg“ kürte sie der Deutsche Seifenkistenverband.

Mit bis zu 55 Stundenkilometern rast Wiebke die Hügel hinunter. Zu Fuß ist sie langsamer als die meisten Menschen – gehandicapt durch eine angeborene halbseitige Lähmung. In der Seifenkiste jedoch ist sie die schnellste. Hier kann sie ihr Handicap überlisten, lenkt und bremst mit einem Fuß und einer Hand. Dies führte schon zweimal dazu, dass die Bremse blockierte und Wiebkes Kiste in den Strohballen in der Zieleinfahrt prallte. Zum Glück blieb die Fahrerin unverletzt, ihre Seifenkiste erlitt jedoch jedes Mal Totalschaden. Das technische Problem mit der Bremse hat Robert Brandelik mittlerweile gelöst.

Das Ende von Wiebkes Karriere als Seifenkistenrennfahrerin neigt sich dem Ende zu. Denn mit 18 Jahren ist Schluss in diesem Sport. Ein großes Ziel hat die 16-Jährige aber noch: Die Teilnahme an der Weltmeisterschaft in den USA im kommenden Jahr, für die sie sich als Europameisterin qualifizierte. Doch Vater Robert hat noch Bedenken. „Unsere Seifenkisten sind in Amerika nicht zugelassen. Da müssten wir eine neue bauen und uns auch vorher die Strecke anschauen. Das wird teuer.“ Darüber will der Coach erst einmal nachdenken, denn: „Bisher war das kein Thema. Wir hatten ja mit Wiebkes Erfolg nicht gerechnet.“

Auf jeden Fall an den Start geht Wiebke an diesem Samstag beim Goldberg-Cup. Es ist das zehnte Rennen auf ihrer Hausstrecke und Wiebke ist das zehnte Mal dabei. Dann wird aus der Queen von Duisburg wieder die Queen vom Goldberg.