Nach den Häuserschäden wird trotzdem weiter nach Geothermie gebohrt. Es gelten aber höhere Auflagen. Firmen klagen auf der Messe über ein rückläufiges Geschäft.

Sindelfingen - Erwin Gungl hat an seinem Messestand eine Spiralsonde aufgebaut, die für die Geothermie gebraucht wird, und zeigt auch einen bereits benutzten Erdwärmebohrer. Nein, den Kontakt mit potenziellen Kunden scheut der 63 Jahre alte Firmeninhaber aus Renningen auch auf der Haus- und Energiemesse in Sindelfingen, die am Donnerstag begonnen hat, nicht. Auch nicht nach den Häuserschäden in Leonberg-Eltingen vor zwei Jahren, als wegen Geothermiebohrungen seiner Firma 30 Häuser Schäden erlitten. Und nun sprechen Experten mit „hoher Wahrscheinlichkeit“ davon, dass möglicherweise Erdwärmebohrungen der Firma Gungl dafür verantwortlich sind, dass an rund hundert Häusern in Böblingen ebenfalls erhebliche Schäden entstanden sind. „Wir haben deswegen jetzt weniger Aufträge für Einfamilienhäuser“, sagt Gungl. Den Rückgang fange sein Unternehmen jedoch durch Großaufträge auf.

 

In Leonberg sackten Häuser ab, in Böblingen hebt sich die Erde

40 000 bis 60 000 Meter bohre sein Unternehmen im Jahr, und das schon seit langem. „Während der Boomphase von 2007 bis 2010 hatten wir jährlich 700 bis 800 Bohrprojekte“, bilanziert Gungl. Und nie sei etwas passiert. Bis in Eltingen die Gebäude in den Boden sackten, weil es dort enorme Hohlräume gegeben habe, so der Firmenchef. Unmengen Zement seien dort hineingepumpt worden. Letztlich hat das aber nicht viel geholfen. Und nun gibt es Erdhebungen in Böblingen. Der Gipskeuper, in den hineingebohrt wird, quillt bei Berührung mit Wasser auf. „Wenn wir jetzt auf Gipskeuper stoßen, stoppen wir sofort“, versichert der Firmenchef Gungl.

Seit Oktober 2011 darf nach den neuen Leitlinien des Landes durch eine solche Gipskeuperschicht ohnehin nicht mehr gebohrt werden. Für das Areal der Allgemeinen Rentenanstalt in Stuttgart etwa hat Gungl aber grünes Licht erhalten. Dort führt sein Unternehmen zurzeit 109 Erdwärmebohrungen durch.

Zurzeit wird auch in Weil im Schönbuch gebohrt

Seit dem Bekanntwerden der Schäden in Böblingen Mitte des vergangenen Jahres habe seine Firma noch mehr als 20 Bohrgenehmigungen vom Landratsamt erhalten, so Gungl weiter. Zurzeit seien im Landkreis unter anderem in Weil im Schönbuch seine Bohrmaschinen am Werk.

Bei Gungls Konkurrenz dagegen sieht es anders aus. Laut Manfred Bökle, dem Mitarbeiter des Energietechnikherstellers Weishaupt mit Hauptsitz Schwendi (Kreis Biberach), habe es seit Mitte des Jahres 2012 keine Anfragen von Geothermieinteressenten im Kreis Böblingen mehr gegeben. Bei der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg, die ebenfalls auf der Messe vertreten ist, heißt es zwar offiziell, man dürfe die Geothermie auch angesichts der Schadensfälle nicht generell verteufeln. Doch die dortige Verbraucherberaterin, Sabine Leyh, sagt auch ganz unverblümt ihre persönliche Meinung: „Ich würde das Risiko einer Bohrung nicht auf mich nehmen.“

So denken offenbar auch viele Verbraucher, die sich zu Beginn der Messe an den Ständen der Geothermieanbieten kaum blicken lassen. Stefan Cecchetti von der Fitrma Junkers, die zur Boschgruppe Thermotechik gehört, spricht bei Erdwärmepumpen von Umsatzrückgängen in Höhe von 15 bis 20 Prozent. Schuld daran seien zum einen die Strompreise. Zum anderen aber auch die Schadensfälle wie in Leonberg oder in Staufen bei Freiburg. Dirk Söndgerath vom Wärmepumpenhersteller Alpha-Inno Tech in Kasendorf (Kreis Kulmbach) kann das bundesweite Auftragsminus nur bestätigen: „Die Verbraucher sind skeptisch geworden.“ Dabei würden heute doch viel strengere Vorschriften gelten. So muss bei den Bohrungen nun stets auch ein unabhängiger Geologe dabei sein. Oliver Nick vom gleichnamigen Wärmepumpenhersteller in Leonberg nennt die neue Devise: „Nicht mehr so viel bohren und nicht mehr so tief.“