Stechender Geruch verursacht Übelkeit und Schwindel, 13 Mitarbeiter müssen behandelt werden.

Sindelfingen - Kurz vor 8 Uhr nehmen Ikea-Mitarbeiter gestern einen stechenden Geruch in dem Möbelhaus wahr. Einige klagen über Kopfschmerzen, Schwindel und Übelkeit und müssen sich erbrechen. Zu dieser Zeit sind 50 Menschen in dem Gebäude, neben Ikea-Mitarbeitern auch 20 Reinigungskräfte. Kunden halten sich noch keine im Möbelhaus auf, der öffentliche Betrieb hätte erst um 10 Uhr begonnen. Die Marktleiterin Alex Preußer lässt das Gebäude umgehend räumen. Das Rote Kreuz rückt mit 40 Einsatzkräften aus, die Feuerwehr mit 45 und die Polizei mit 20. Der erste Verdacht lautet: es handelt sich um einen Gasunfall.

 

Doch Edmund Gneist, dem organisatorischen Leiter des Rettungsdienstes, ist schnell klar: „Das ist was Größeres“. Daher verständigt er den leitenden Notarzt Clemens Wörnle. 13 Ikea-Mitarbeiter müssen notärztlich versorgt werden, zehn werden vorsorglich in Kliniken in Böblingen und Sindelfingen gebracht. Währenddessen sperrt die Polizei die Hanns-Martin-Schleyer-Straße ab. Die Stadtwerke Sindelfingen überprüfen die Gasleitungen, ein Leck können sie nicht ausmachen. Damit ist der Anfangsverdacht widerlegt.

Einsatzkräfte der Feuerwehr Sindelfingen sowie der Bosch-Werksfeuerwehr und ein spezieller Messtrupp der Feuerwehr Herrenberg untersuchen das Möbelhaus auf Gefahrenstoffe. „Doch selbst die Messtruppe aus Herrenberg, die 90 Prozent aller möglichen Dinge erkennen kann, konnte nichts feststellen“, berichtet der Kreisbrandmeister und Einsatzleiter Guido Plischek. Daraufhin fordert er die Analytische Task Force Deutschland an, ein auf Gefahrenstoffe spezialisiertes Team der Mannheimer Berufsfeuerwehr.

Den Verdacht, jemand könne gesundheitsgefährdende Stoffe im Möbelhaus ausgebracht haben, schließt die Marktleiterin Alex Preußer aus: „Wenn das jemand bewusst getan hätte, dann hätte er sich eine andere Tageszeit ausgesucht, Samstagnachmittag statt Dienstagmorgen zum Beispiel“, sagt sie überzeugt. Im vergangenen Jahr waren Verkaufshäuser des schwedischen Möbelkonzerns mehrmals das Ziel von Anschlägen gewesen. In vier Filialen – in Dresden sowie in Städten der Niederlanden, Frankreich und Belgien – waren Sprengsätze explodiert. Die inzwischen gefassten Täter hatten auf diese Weise Geld von dem Konzern erpressen wollen.

„Eine Lage dieser Dimension habe ich in Sindelfingen noch nicht erlebt“, meint der Oberbürgermeister Bernd Vöhringer, der sich vor Ort ein Bild der Situation macht. Verwaltungsintern habe man einen Krisenstab gebildet, der bisher aber noch habe nicht eingreifen müssen. Einen Zusammenhang mit der Duftwolke, die Anfang des Jahres vom Daimler-Werk her über Sindelfingen zog, sieht er bislang nicht.

Während man im Einsatzlager weiterhin auf die Spezialisten aus Mannheim wartet, melden Einsatzkräfte, dass sie nun auch außerhalb des Gebäudes einen ähnlichen stechenden Geruch festgestellt hätten. Zu diesem Zeitpunkt kommt der Wind aus nordwestlicher Richtung. Aber nicht nur im Nordwesten wird der Geruch wahrgenommen, sondern auch südlich des Gebäudes, bei der Moschee. „Es kann auch sein, dass der Geruch von außen über die Lüftungsanlage in das Ikeagebäude getragen worden ist“, sagt der Einsatzleiter Plischek. Daraufhin suchen Polizeibeamte ringförmig den Umkreis des Möbelhauses ab – können jedoch nichts finden. Im Einsatzteam geht derweil die Spekulation um, dass ein Ikea-Mitarbeiter CS-Gas versprüht und seine Kollegen getroffen habe.

Um 13.10 Uhr treffen die Mannheimer Spezialisten ein. Mit Atemschutzgeräten geht das aus acht Mann bestehende Team in das Möbelhaus. Mehrere Stunden lang suchen sie nach der Ursache des Geruches. Bis Redaktionsschluss konnten sie jedoch keine Gefahrenstoffe finden.