Nach Bürgerprotesten im Neubaugebiet prüft die Verwaltung seit Monaten 41 Standorte. Der Kreis hat derweil ein Gebäude im Gewerbegebiet im Visier – und hofft auf eine Gesetzesänderung.

Sindelfingen - Knapp 700 Flüchtlinge leben momentan in Erstunterkünften im Kreis. Bis Ende des Jahres braucht das Landratsamt noch mindestens 300 weitere Plätze. Die Großen Kreisstädte Böblingen, Herrenberg und Leonberg haben Heime für Asylsuchende. In Böblingen sind in vier Unterkünften momentan 210 Menschen untergebracht, Herrenberg hat drei Heime, in denen 176 Personen leben, und in Leonberg gibt es momentan eine Unterkunft für 41 Flüchtlinge, eine weitere wird gerade ausgebaut. Dort sollen bis Ende des Jahres 120 Menschen Platz finden. Zudem gibt es Heime in Renningen und Bondorf. Einzig Sindelfingen – mit fast 62 000 Einwohnern die größte Stadt im Kreis – hat bisher keine Unterkunft für die Erstunterbringung von Flüchtlingen.

 

Anwohner demonstrierten

Dabei hatte die Stadt bereits vor fünf Monaten drei Standorte im Visier. Einer davon lag im Neubaugebiet Allmendäcker. Als die Nachbarn davon durch ein Flugblatt der NPD erfuhren, organisierten sie eine Demonstration. Die Neubürger fürchteten, dass ihre Immobilien an Wert verlieren könnten. Auch rings um die beiden anderen anvisierten Standorte für Flüchtlingsunterkünfte in der Stadt regte sich Widerstand. Eilig berief die Stadtverwaltung eine Informationsveranstaltung ein. Auch bei dieser schlugen die Wellen hoch – und die Verwaltung knickte ein, versprach die Standorte noch einmal zu überprüfen sowie Alternativen an anderen Plätzen anzuschauen. Seither hieß es bei Anfragen unserer Zeitung stets: „Wir sind noch in der Prüfung.“ Sage und schreibe 41 mögliche Standorte stehen zur Diskussion.

Dabei muss die Stadt ein Heim weder bauen noch in Stand halten – und ist auch nicht für die Betreuung der Asylbewerber zuständig. Das alles liegt in der Verantwortung der Kreisverwaltung. Die Kommunen sind nur verpflichtet, geeignete Gebäude oder Grundstücke zur Verfügung zu stellen.

Die Kreisverwaltung, die ständig neue Flüchtlinge vom Land zugewiesen bekommt, baut an allen Ecken des Kreises neue Unterkünfte. Und sie hat bereits Notfallpläne in der Schublade, sollten noch mehr Flüchtlinge als erwartet eintreffen. „Dann müssen wir sie in Turnhallen unterbringen,“ sagt der Sprecher Dusan Minic.

Trotz dieser Situation findet sich das Thema Flüchtlingsheime nicht auf den Tagesordnungen der Gremien des Sindelfinger Gemeinderats. Auch die Stadträte scheinen keine Eile zu haben. „Das geht alles seinen ordnungsgemäßen Gang. Die Stadt hat dem Kreis nun einige Grundstücke genannt. Jetzt ist der Kreis am Zug. So sind meine Informationen“, sagt Walter Arnold, der Fraktionschef der CDU. „Wir hatten keine Gelegenheit nachzuhaken, da mehrere Ausschusssitzungen ausgefallen sind“, erklärt Andreas Schneider-Dölker, der Sprecher der SPD-Fraktion.

Erst im Dezember soll der Gemeinderat beschließen

Hans-Georg Burr, der Leiter des Amts für Soziales der Stadt Sindelfingen, sieht keine Versäumnisse: „Wir arbeiten eng mit dem Kreis zusammen.“ Im November würde das Thema Flüchtlingsunterbringung nichtöffentlich in den Gremien beraten. „Dann gibt es noch eine Bürgerinformation, und im Dezember wird der Gemeinderat die Standorte beschließen.“ Dann könnte der Kreis mit dem Bau beginnen.

Vom Landkreis gibt es dazu kein Statement, nur die Bestätigung, dass man mit Sindelfingen zusammenarbeite. Offenbar hofft man dort auf einen Deal. Der Kreis hat in der Sindelfinger Nüßstraße ein ehemaliges Hotel für Bauarbeiter im Auge, das im Privatbesitz ist. Dies könnte mit wenig Aufwand in eine Sammelunterkunft für Flüchtlinge umgewandelt werden. Dieser Standort entspricht wegen der Lage und Größe des Hauses jedoch nicht der Philosophie der Stadt der dezentralen Unterbringung – und ist auch gesetzlich verboten, weil es im Gewerbegebiet liegt. Auf Bundesebene wird jedoch gerade an einer Gesetzesänderung gearbeitet. „Sollte diese Änderung kommen, gibt es mehr Möglichkeiten zur Unterbringung“, sagt Burr.