Ein Straßentheater zur Biennale widmet sich der Hexenverfolgung im 17. Jahrhundert. Grundlage sind wahre Geschichten. 21 Frauen wurden in Sindelfingen verbrannt.

Sindelfingen - Eigene Produktionen mit Akteuren der lokalen Kulturszene zu Sindelfinger Themen – das ist das Markenzeichen der Sindelfinger Biennale, die Ende des Monats zum zweiten Mal anläuft. Nach den Höhepunkten aus der Stadtgeschichte – die Stadtgründung beim Jubiläum 2013 und der Geschichte des Chorherrenstifts vor zwei Jahren – steht dieses Mal ein dunkles Kapitel auf dem Programm: Das Theaterensemble um Sabine Duffner widmet sich der Hexenverfolgung. Mindestens 21 Frauen sind in Sindelfingen verbrannt worden, weil sie angeblich durch Zauberei Unglück über Menschen oder über die Stadt gebracht hatten. Die Recherchen des Kulturamtsleiters Horst Zecha für den Sindelfinger Hexenpfad bildeten die Grundlage für das Stück, das Sabine Duffner gemeinsam mit Ihrem Mann Dieter E. Hülle, dem Gründer der lokalen Theaterszene, für die Biennale geschrieben hat.

 

Die Stadt als Mikrokosmos der Missgunst

„Das Spannende an der Geschichte ist, dass die Hexenverfolgung in Sindelfingen nicht während des Mittelalters stattfand, sondern viel später, kurz vor der Aufklärung“, sagt Duffner. Anfang des 17. Jahrhunderts war Sindelfingen eine kleine Stadt mit 1400 Einwohnern. Überwiegend Bauern und Handwerker bevölkerten die dicht besiedelte Altstadt. Ein Mikrokosmos, in dem die Menschen eng beieinander lebten. Missgunst und Ärger verwandelten sich in Denunziationen. Gefördert wurde dieses Klima durch mehrere Naturkatastrophen und Missernten in der Kleinen Eiszeit, für die Schuldige gefunden werden mussten. Und so wurden missliebige Personen schnell eines Schadenzaubers bezichtigt. „Es traf fast ausschließlich Frauen“, sagt Duffner. Ein Mann sei in Sindelfingen der Hexerei bezichtigt worden. „Er wurde verurteilt, aber nicht verbrannt.“

Straßentheater mit drei Stationen

Duffner und Hülle erzählen diese düstere Geschichte an Hand von drei Protagonistinnen, die als Hexen angeklagt wurden. Die Dialoge werden teileweise wörtlich aus den überlieferten Verhörprotokollen zitiert. Weil alle drei die Anschuldigungen bestreiten, werden sie der Folter zugeführt. „Wir haben lange überlegt, wie wir die Folter darstellen“, sagt Duffner. Ganz bewusst habe man sich dafür entschieden, diese nur anzudeuten, sie zu beschreiben. „Wir überlassen das der Fantasie der Zuschauer.“ Auch sonst steht das Ensemble unter der Regie des Tübinger Regisseurs Axel Krauße auf Minimalismus. „Wir wollen kein historisches Stück mit vielen Requisiten“, sagt Duffner. „Denn Authentizität können wir sowieso nicht erreichen.“ Zum Nachdenken anregen soll die Aufführung – über absurde Gerichtsprozesse und Folter, die auch heute in vielen Ländern Thema sind. Die Aufführungen finden als Straßentheater statt . Vorbild ist das Christgeburtsspiel von Co-Autor Hülle, das alle zwei Jahre in der Adventszeit gespielt wird. Der Auftakt des Hexenstücks ist im Serenadenhof des Stadtmuseums, das früher Rathaus war. Die Hexenprozesse fanden im dortigen Ratssaal statt. Nach der Verurteilung zieht die Truppe inklusive dreier Musiker – der Komponist Wolfram Graf hat die Musik für das Stück komponiert – zum früheren Kerker und zum Abschluss zur Martinskirche.