Die Bürgerstiftung wird zehn Jahre alt. Sie versteht sich nicht nur als Geldgeber, sondern initiiert auch viele eigene Projekte.

Sindelfingen - Noch nicht ganz zehn Jahre alt ist die Sindelfinger Bürgerstiftung, die im Dezember 2007 gegründet wurde. Doch sie hat sich weit über die Region hinaus einen Namen gemacht. Mehrere ihrer Projekte wurden ausgezeichnet – etwa das interkulturelle Theater „Alte Koffer, neue Träume“, das 2012 beim Ideenwettbewerb der Herbert-Quandt-Stiftung siegte. Den Stiftern gehen die Ideen nicht aus. Joachim Schmidt, der Vorstandsvorsitzende, berichtet im Interview von den Plänen für die Zukunft und den finanziellen Sorgen der Stifter in Niedrig-Zins-Zeiten.

 
Herr Schmidt, mindestens 1000 Euro muss man spenden, um zum Stifterforum der Sindelfinger Bürgerstiftung zu gehören. Im Vorstand sitzen wichtige Leute wie Sie, die in gehobenen Positionen bei namhaften Unternehmen arbeiten. Ist das ein Club für die Reichen und Schönen?
Nein, da wehre ich mich ganz entschieden dagegen. Bürgernähe ist unser oberstes Prinzip. Man kann bei uns auch mitmachen, wenn man kein Geld hat, aber dafür Zeit stiftet. Auch solche Mitglieder haben wir im Stifterforum. Jetzt wollen wir noch zusätzlich einen Freundeskreis initiieren. Den gibt es quasi schon informell. Wir wollen ihn jetzt institutionalisieren. Er soll offen sein für alle, die sich bei uns in irgendeiner Form engagieren möchten. Denn das zeichnet uns ja aus als Sindelfinger Stiftung – das große eigene Engagement.
Was ist das Besondere daran?
Anders als viele Stiftungen fördern wir nicht nur Projekte in der Stadt, die an uns herangetragen werden, sondern initiieren selbst welche.
Zum Beispiel?
Ein sehr prominentes Beispiel ist die Schlau-Schau im Breuningerland, die wir bereits neunmal ausgerichtet haben. Es ist ein Forum, bei dem die Schulen der Stadt ihre besonderen Talente zeigen. Sie steht jedes Jahr unter einem anderen Motto, dieses Jahr Naturphänomene/Bionik. Ein anderes Beispiel sind unsere Integrationsprojekte, nehmen Sie das Musical Sinfonie unseres Lebens, das Sindelfinger Bürger, Kulturvereine und Flüchtlinge gemeinsam mit dem Komponisten und Musiker Andreas Werum erarbeitet und aufgeführt haben. Ein Eigengewächs ist auch unsere Aktion „Sindelfingen bewegt sich“ mit dem jährlichen Schülermarathon und dem Sporttag für Kinder im Glaspalast, an dem jedes Mal mehr als 1000 Kinder mitmachen.
Integration und Kinder und Jugendliche sind die Schwerpunkte Ihrer Arbeit.
Ja. Und sie stehen unter unserem Leitmotto „Kreativ statt aggressiv“. Es ist unser Herzensanliegen, für unsere Kinder und Jugendlichen jedweder Herkunft ein Klima des Vertrauens und des gegenseitigen Respekts zu schaffen. Aber wir fördern auch das Miteinander der Generationen. So planen wir ein neues Projekt – „Silberfee“, bei dem wir Senioren und junge Familien zusammenbringen möchten, so eine Art Plattform für Leihomas und Leihopas.
Sindelfingen ist eine reiche Stadt mit hohen Standards. Warum braucht es zusätzlich eine Bürgerstiftung?
Ohne uns gebe es viele Aktionen nicht. Die Schlau-Schau hätte niemals stattgefunden, der Kids-Sporttag im Glaspalast auch nicht. Wir fördern auch Weiterbildung wie Vorträge zu Essstörungen bei Mädchen der Stuttgarter Beratungsstelle Lagaya hier in Sindelfingen. Das gebe es sonst nicht. Gruppen und Vereine, die ein kulturelles, soziales oder sportliches Projekt planen, können sich an uns wenden, wenn sie Unterstützung brauchen. Wir prüfen dann den Antrag.
Lehnen Sie auch Anträge ab?
Ja, das gibt es gelegentlich, wenn die Projekte nicht zu unserem Profil passen.
Wie finanzieren Sie Ihre eigenen Aktionen und die Unterstützung der an sie herangetragenen Projekte?

Eigentlich durch die Zinsen unseres Stiftungskapitals. Das ist im Laufe der zehn Jahre auf jetzt 1,2 Millionen Euro angewachsen. Das Problem ist, dass es ja im Moment fast keine Zinsen mehr gibt. Deshalb leben wir hauptsächlich von Spenden. So haben wir das interkulturelle Musical-Projekt von einer großzügigen Spende von Daimler finanziert. Da blieb auch noch etwas übrig für die Förderung der Arbeit in den Flüchtlingsklassen der Gottlieb-Daimler-Schulen und dem Pfarrwiesengymnasium. Aber es spenden auch viele kleinere Unternehmen und auch Privatpersonen.

Wie viel Geld haben sie in den zehn Jahren investiert?
Wir haben fast 400 000 Euro in eigene und andere Projekte gesteckt.
Was planen Sie für Ihr Jubiläumsjahr?
Es gibt jeden Monat mindestens eine Veranstaltung. Ein Highlight wird das Bürgerpicknick im Juli als unser Beitrag zur Sindelfinger Biennale sein. Das passt zu unserem Profil: Bürger begegnen sich im Sommerhofenpark. Jeder bringt sein eigenes Picknick mit. Dazu gibt es einen Kulturhappen von uns.
Was liegt Ihnen für die Zukunft am Herzen?
Dass sich die Idee der Bürgerstiftung weiter verbreitet. Und vor allem, dass sich alle Bürger angesprochen fühlen. Wir sind offen für alle und stolz auf unsere Vielfalt. Und wir brauchen viel Manpower, viele helfende Hände für unsere Arbeit.