Die Stadt braucht eine digitale Strategie, meinen die Stadträte und beschießen eine solche. Ein neues digitales Büro soll sie umsetzen.

Sindelfingen - Eine Stadtverwaltung, die ohne Papierakten auskommt; Bürger, die nicht mehr auf das Rathaus müssen, sondern alle Behördengänge bequem zu Hause online erledigen; voll vernetzte Schulen und eine digitale Verkehrssteuerung für die Stadt – die Ziele für die Digitalisierung Sindelfingens sind hoch. Gesteckt haben diese Ziele die Stadträte bei ihrer Klausurtagung am Wochenende.

 

Vieles gibt es bereits in der Stadt: So arbeiten die Stadträte bei ihren Sitzungen nicht mehr mit Unterlagen aus Papier, sondern am Tablet. Erst in der vergangenen Woche wurde die neue „Sindelfingen-App“ vorgestellt, mit der man sich über aktuelle Veranstaltungen und Sehenswürdigkeiten informieren kann, aber auch melden kann, wenn ein Spielplatz vermüllt ist oder eine Straße ein Schlagloch aufweist.

Schulen werden aufgerüstet

„Wir fangen nicht bei null an“, sagte der Oberbürgermeister Bernd Vöhringer bei der Präsentation der Klausurtagungsergebnisse. „Aber wir wollen das Thema Digitalisierung strategisch angehen.“ Dafür sei die Tagung mit den Stadträten nur der Auftakt gewesen. Nun soll eine digitale Agenda für Sindelfingen entwickelt werden. Parallel dazu aber gibt es schon ganz konkrete Pläne. Zur Umsetzung der vielen Projekte sowie für die Entwicklung der digitalen Agenda möchte die Stadt eigens ein digitales Büro einrichten.

Der wichtigste Schritt ist der Ausbau der digitalen Infrastruktur – dafür hat der Gemeinderat bereits eine Masterplanung zum Glasfaserausbau verabschiedet. Auch die WLAN-Zonen in der Stadt sollen erweitert werden. Ein Schwerpunkt der digitalen Strategie liegt bei den Schulen. An ausgewählten Pilotschulen soll die Vernetzung in den Gebäuden getestet werden: Alle Räume in der Schule werden online miteinander verbunden. Exemplarisch kann so erkundet werden, welche Baumaßnahmen dafür notwendig sind und was der Umbau in eine vernetzte Schule kostet. Alle städtischen Schulen sollen in den kommenden Jahren eine angemessene digitale Ausstattung erhalten – dafür fordert die Stadtverwaltung von den Schulen die Vorlage medialer Entwicklungspläne.

E-Akten statt Papierberge

Der digitale Bürgerservice soll weiter ausgebaut werden. Es ist daran gedacht, ein elektronisches Bezahlsystems für städtische Gebühren einzuführen. Termine im Bürgeramt könnten künftig online vereinbart werden. „Dann muss niemand mehr eine Nummer ziehen und warten“, erläuterte der Projektleiter Dirk Oestringer. Auch die Verwaltung soll modernisiert werden: Elektronische Akten statt Papierbergen sind das Ziel. Und die Bürgerbeteiligung bei wichtigen städtischen Projekten könnte künftig stärker online stattfinden.

Zwei große Bereiche haben sich Verwaltung und Gemeinderat zunächst vorgenommen: die Erarbeitung eines integrierten Mobilitätskonzepts und das Projekt „Digitale Stadt“. Das Mobilitätskonzept soll den Verkehr in der Stadt steuern, beispielsweise die Grün- und Rotphasen von Ampeln dem Verkehr anpassen oder Autofahrer über ihr Smartphone zu freien Parkplätzen leiten. Als Modell-Quartier soll ein neues Wohngebiet, vermutlich auf dem Gelände der Eschenriedschule, so geplant werden, dass verschiedene Zukunftsprojekte erprobt werden können, etwa sogenannte Smart Homes, in denen alles – von der Klimatechnik bis zum Inhalt des Kühlschranks – digital gesteuert wird. Oder Häuser für Senioren, die mit digitaler Technik die Menschen unterstützen.

Grüne wollen Ratssitzungen online übertragen

Die Grünen-Fraktion träumt überdies von einer Online-Übertragung der Gemeinderatssitzungen. „So könnten wir mehr politikinteressierte Bürger erreichen, die nicht an den Sitzungen teilnehmen können“, sagte der Fraktionschef Hans Grau. Ulrike Rapp von der SPD war es wichtig, „dass wir alle Bürger bei der Digitalisierung mitnehmen, auch diejenigen, die davor Angst haben.“ Dass die Digitalisierung auch den Verlust von Arbeitsplätzen bedeuten kann, darauf machte Ingrid Balzer (Freie Wähler) aufmerksam. Trotzdem forderte sie „den zügigen Ausbau der digitalen Strukturen“.

Die Situation in Sindelfingen sei bereits jetzt gut, betonte OB Vöhringer, „Auch wenn es einzelne Stimmen gibt, die das nicht so sehen“. Man liege „bei der Geschwindigkeit über dem Landesdurchschnitt“. Im kommenden Jahr hätten 80 Prozent aller Haushalte Anschlüsse mit mindestens 50 MBit pro Sekunde. „Doch als Technologiestandort ist uns das nicht genug. Wir wollen auch die restlichen 20 Prozent ausbauen.“ Dabei sei die Stadtverwaltung aber auch auf die privaten Mobilfunkanbieter angewiesen. „Die haben nicht immer Interesse an jedem Wohngebiet.“