230 Feuerwehrleute aus dem gesamten Landkreis Böblingen kämpfen die ganze Nacht in der Sindelfinger Altstadt gegen die Flammen und verhindern ein Übergreifen auf andere Gebäude. Zwei Personen wurden leicht verletzt.

Sindelfingen - Fassungslos steht Amar Rebahi vor den Trümmern seines Ladens. „Alles ist kaputt“, sagt der 51-Jährige. Seit 17 Jahren betreibt er gemeinsam mit seiner Frau den Schnäppchen-Markt in der Sindelfinger Grabenstraße am Wettbachplatz. Vor drei Jahren hat er ihn gekauft. In der Nacht zum Montag brannte der Laden bei einem Großfeuer in der Sindelfinger Altstadt komplett aus. Die Schaufenster im Erdgeschoss sind zerborsten, die Fassade ist schwarz von Ruß. Alle Bewohner konnten sich unverletzt retten. Den Schaden an dem Gebäude beziffert die Polizei auf eine Million Euro. „Ich darf das Haus nicht betreten, kann auch nicht aufräumen“, klagte Rebahi noch am Morgen. Später wurden die Absperrungen teilweise aufgehoben, laut der Polizei konnten die Bewohner einige Habseligkeiten aus den zerstörten Räumen holen – in Begleitung der Feuerwehr.

 

Dramatische Szenen hatten sich in der Nacht um das Haus abgespielt. Güngor Yoldas, der genau gegenüber in der Grabenstraße einen Döner-Laden betreibt, saß um kurz nach 1 Uhr mit seinem Bruder und einem Mitarbeiter vor seinem Restaurant. „Plötzlich meinte mein Bruder: ‚Hier riecht es nach Rauch.‘ Erst dachte ich, das kommt aus meinem Laden“, erzählt der 32-Jährige „Doch dann sah ich schon die Flammen hinter dem Haus.“

Nachbarn retten Bewohner

Im dortigen Innenhof war das Feuer ausgebrochen. „Es hat sich dann schnell an der Fassade entlang der Wärmedämmung nach oben gearbeitet“, sagt der Feuerwehrsprecher Sascha Luft. Güngor Yoldas stürzte gemeinsam mit anderen Nachbarn in das brennende Haus, um die Bewohner herauszuholen. „Ein älterer Mann stand unter Schock. Er wollte nicht rauskommen, obwohl es bereits überall brannte“, erzählt Yoldas. „Als ich ihn wegziehen wollte, sagt er, er müsse seinen Führerschein holen.“ Nur mit Mühe sei es ihm gelungen, den Mann ins Freie zu bugsieren.

16 Personen konnten das Haus verlassen, ehe die Feuerwehr eintraf. Verletzt wurden lediglich ein Schaulustiger sowie eine Anwohnerin, die Nachbarin, die Anwohner aus den Betten geklingelt hatte. Beide erlitten Rauchvergiftungen, sie wurden vor Ort von Rettern des Deutschen Roten Kreuzes behandelt wurde.

Die ganze Nacht kämpften insgesamt 230 Feuerwehrleute aus dem Kreis gegen die Flammen. „Es bestand größte Gefahr, dass das Feuer auf die angrenzenden Gebäude übergreift“, sagt Sascha Luft. Sehr dicht stehen die Häuser in der Sindelfinger Altstadt. Besonders gefährlich sei es geworden, als das Feuer ins Innere der Wohnungen vorgedrungen sei. „Die Brandschutzwand zwischen den Häusern hat zum Glück gehalten“, sagt Luft. „Doch als es dann in den Dachgeschosswohnungen brannte, wurde es heikel. „Wir mussten das Dach abdecken, um die Glutnester zu löschen.“

Die sieben Wohnungen im Gebäude in der Grabenstraße 3 sowie die zwei Dachgeschosswohnungen im angrenzenden Haus am Wettbachplatz sind laut Sascha Luft unbewohnbar. 16 Menschen sind somit im Moment ohne Dach über dem Kopf. Zwölf Personen wurden von der Stadt in Notquartieren untergebracht, der Rest kam bei Bekannten unter. Auch der Sindelfinger Oberbürgermeister Bernd Vöhringer eilte in der Nacht zum Brandort. „Wir sind heilfroh, dass niemandem etwas passiert ist“, sagte er am Morgen erleichtert.

War möglicherweise ein Brandstifter am Werk?

Die Brandursache steht noch nicht fest. „Unsere Kriminaltechniker ermitteln“, sagt der Polizeisprecher Peter Widenhorn. Brandstiftung könne aber nicht ausgeschlossen werden. „Das Feuer ist im Innenhof ausgebrochen. Da scheiden technische Ursachen eigentlich aus.“ Die Polizei gab am Montag bekannt, dass es bereits vor einer Woche, am 12. Juli, im Innenhof des Gebäudekomplexes gebrannt habe. Am späten Abend waren dort gelagertes Papier und Kartonagen in Flammen aufgegangen. Sie waren aber von einem Anwohner rechtzeitig entdeckt und mit Wasser gelöscht worden. Laut OB Vöhringer gab es in dem Haus bereits vor anderthalb Jahren in einer Wohnung des Hauses einen Brand.

Auch den gesamten Montag waren die Feuerwehr und die Polizei noch vor Ort, um zu verhindern, dass Glutreste erneut aufflackerten. Der Wettbachplatz war bis zum Mittag gesperrt. Auch das Döner-Restaurant von Yoldas, das in der abgesperrten Zone liegt, blieb deshalb geschlossen. „Wir öffnen auch heute Abend nicht – aus brandschutztechnischen Gründen“, sagte auch der Inhaber des Restaurants Jo Penas. Das Lokal war zwar vom Brand verschont geblieben, gehört aber zu dem Gebäudekomplex, in dessen Obergeschoss zwei Wohnungen vom Feuer betroffen sind. Härter noch trifft es den Schnäppchenmarktbesitzer Rebahi. „Den Verdienstausfall kann ich mir nicht leisten.“ Zumal er nicht weiß, wie lange die Renovierung dauern wird. „Vielleicht muss man ja alles abreißen.“