Der frühere Betreiber der Sindelfinger Waldsauna hat physiotherapeutische Behandlungen angeboten und abgerechnet, obwohl seine Mitarbeiter nicht über die entsprechende Qualifikation verfügten.

Böblingen: Kathrin Haasis (kat)

Sindelfingen - Einst ließen sich Fußballer und andere Sportler in der Sindelfinger Waldsauna (Kreis Böblingen) behandeln. Der Betrieb florierte. „Es war sehr gut und ganz bekannt“, sagte sein ehemaliger Inhaber. Als Angeklagter musste er sich nun vor dem Böblinger Amtsgericht verantworten. Der 79-Jährige hat von 2009 bis 2013 die Krankenkassen um rund 60.000 Euro betrogen. Er hatte physiotherapeutische Behandlungen angeboten und abgerechnet, obwohl seine Mitarbeiter nicht über die entsprechende Qualifikation verfügten. Der Senior war laut Staatsanwalt „die treibende Kraft“ hinter dem Betrug. Er ist zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten verurteilt worden – auf Bewährung.

 

Mitangeklagt war auch der 51 Jahre alte Sohn des Mannes, der die Rechnungen bei den Krankenkassen einreichte. Eine Masseurin, die als Geschäftsführerin des Betriebs eingetragen war, saß ebenfalls auf der Anklagebank. Zum Prozessbeginn gab es eine Verständigung zwischen den Beteiligten. Danach wurden die Verfahren gegen den Sohn und die 58 Jahre alte Masseurin eingestellt, die nur als Strohfrau fungierte. Gegen ein Geständnis stellte der Richter dem 79-Jährigen die Bewährungsstrafe in Aussicht. Sein Mandant räume die Vorwürfe vollumfänglich ein, erklärte danach dessen Anwalt. „Er bedauert sein Fehlverhalten außerordentlich.“

Der Betrug flog zufällig auf

Der Saunabetrieb ist bereits zur Jahrtausendwende in eine finanzielle Schieflage geraten. Im Jahr 2006 kam es dann zur Zwangsversteigerung der Anlage in Sindelfingen-Maichingen. Doch der Käufer ließ den Angeklagten weiterhin die Geschäfte führen. „Er war der Grandseigneur, der alles in den Händen gehalten hat“, fasste der Richter die Rolle des damals fast 70-Jährigen zusammen. Vermutlich habe er die Kunden nicht wegschicken wollen und deshalb Leistungen erbracht, die nicht hätten erfolgen dürfen. Um „Luftnummern“ wie sonst bei Betrug oft üblich, habe es sich in diesem Fall zwar nicht gehandelt, die Patienten seien schließlich behandelt worden. Dennoch seien es unter dem Strich Straftaten gewesen. Die Kriminalpolizei war zunächst davon ausgegangen, dass auf diese Weise rund 200 000 Euro zusammengekommen waren. Aber in der Sauna waren zwischendurch auch immer wieder Physiotherapeuten angestellt. Deshalb konnten nur 35 Betrugsfälle sicher nachgewiesen werden. Die aufwendige Ermittlungsarbeit hat Jahre gedauert.

Der Angeklagte war 1960 aus Ägypten nach Deutschland gekommen. Zehn Jahre lang war er in der medizinischen Abteilung des VfB Stuttgart angestellt, der damals noch in der Oberliga spielte. Dann machte er sich mit der Waldsauna in Sindelfingen selbstständig. „Er hat ein tolles Unternehmen geführt“, erklärte der Staatsanwalt. Sein Sohn stieg nach der mittleren Reife und einer Ausbildung an einer kaufmännischen Schule bei ihm ein, und auch die Masseurin ist seit 1982 bei ihm angestellt gewesen. Offenbar hat der Seniorchef an der Börse Fehlentscheidungen getroffen. „Von dem ehemaligen, großartigen Vermögen ist wegen Spekulationen nicht mehr viel übrig geblieben“, sagte der Richter.

Der Betrug war zufällig aufgeflogen – über einen Masseur, der mit einer gefälschten Urkunde erwischt worden war. Von diesem Betrug wusste der Angeklagte nichts, der Masseur war auch nur kurz bei ihm tätig. Doch bei der Überprüfung des anderen Falles fiel der Kriminalpolizei auf, dass in dem Betrieb nicht mehr die Physiotherapeuten arbeiteten, die bei der Krankenkasse registriert gewesen waren. „Die Waldsauna war sein Lebenswerk“, erklärte der Anwalt. Eine Trennung von dem Betrieb sei für den Angeklagten schwierig gewesen. Er habe ihn retten wollen. Deshalb sei es zu den Taten gekommen. Der 79-Jährige hatte sich zuvor nie etwas zuschulden kommen lassen. „Er hat aus der Not heraus gehandelt“, räumte auch der Richter ein.