Die aktuellen Kriege und Krisen wirken sich kaum auf die Erdölförderung aus. Gleichzeitig stagniert die weltweite Rohölnachfrage. Die Verbraucher dürfen sich indes über niedrige Heizöl- und Benzinpreise freuen.

Wissen/Gesundheit: Werner Ludwig (lud)

Stuttgart - Politische Spannungen und militärische Konflikte lassen gewöhnlich die Preise für Rohöl, Kraftstoffe und Heizöl steigen. Diese Regel scheint derzeit außer Kraft. Trotz des IS-Terrors im sechstgrößten Förderland Irak, trotz Ebola-Epidemie in Nigeria und dem Konflikt zwischen Russland und der Ukraine ist der Ölpreis seit Sommer um rund ein Viertel gesunken. Was Heizölkäufer und Autofahrer freut, bereitet dem massiv von Energieexporten abhängigen Russland enorme Probleme. Die Verzweiflung ist offenbar so groß, dass im Kreml schon wilde Verschwörungstheorien kursieren. Demnach halten die USA und ihr Verbündeter Saudi-Arabien den Ölpreis künstlich niedrig, um Russland zu schaden.

 

Frank Klumpp hält nicht viel von solchen Theorien. „Man sollte in das Verhalten Saudi-Arabiens nicht zu viel hineininterpretieren“, sagt der Rohstoffanalyst bei der Landesbank Baden-Württemberg (LBBW). Den Saudis gehe es vor allem darum, ihren Marktanteil zu sichern – auch wenn sie dafür einen niedrigeren Preis hinnehmen müssten. Deshalb habe der weltgrößte Erdöllieferant seine Förderung kaum zurückgefahren. Aufgrund der niedrigen Förderkosten könne Saudi-Arabien auch mit einem Preis von 85 Dollar pro Barrel leben. Gleichzeitig sieht Klumpp die Ölproduktion im Irak trotz des islamistischen Terrors nicht in Gefahr. Die meisten Ölfelder befänden sich im Süden des Landes und damit außerhalb der Krisengebiete. Hinzu komme, dass Libyen seine Öllieferungen ungeachtet der chaotischen Zustände im Land wiederaufgenommen hat. „Anders als frühere Krisen haben die derzeitigen Konflikte keine unmittelbaren Auswirkungen auf die Ölförderung“, resümiert Klumpp.

Ölpreis bleibt vorerst niedrig

Zur aktuellen Preisentwicklung tragen aber auch die USA bei, die dank der umstrittenen Fracking-Bohrtechnik immer mehr Öl fördern – und Prognosen zufolge zeitweise sogar Saudi-Arabien überflügeln werden. Das hohe Angebot stößt auf eine nahezu stagnierende Nachfrage, die vor allem mit der schwächeren Konjunkturentwicklung in vielen Regionen der Welt zusammenhängt. Die Internationale Energieagentur hat erst kürzlich ihre Prognose für die weitere Bedarfsentwicklung nach unten korrigiert.

Klumpp erwartet nicht, dass der Rohölpreis in nächster Zeit deutlich steigen wird. Im Falle einer Einigung mit dem Iran im Atomstreit könnten von dort sogar zusätzliche Mengen auf den Markt gelangen. Der Analyst hält es auch für wenig wahrscheinlich, dass die Opec-Länder bei ihrem nächsten Treffen Ende November eine Förderkürzung beschließen. Bis zum Jahresende prognostiziert die LBBW dennoch einen leichten Preisanstieg auf 92 Dollar je Barrel – unter anderem wegen der beginnenden Heizsaison. Ende 2015 sieht Klumpp den Ölpreis dann wieder bei 85 Dollar. Niedrige Preise führen allerdings auch zu geringeren Investitionen in die Erschließung neuer Ölvorkommen. Längerfristig dürften dadurch die Fördermengen zurückgehen – und die Preise wieder steigen. Für ewig werden Sprit und Heizöl also mit Sicherheit nicht so günstig bleiben wie jetzt.