Die Betreiber des Heilbronner Großklinikums am Gesundbrunnen stehen nach dem Auffliegen eines Skandalarztes vor einem Scherbenhaufen – und ziehen erste Konsequenzen.

Heilbronn - In den Fall des umstrittenen, in den Niederlanden wegen Behandlungsfehlern angeklagten Arztes, der am Heilbronner Großklinikum Gesundbrunnen tätig war, hat sich die Staatsanwaltschaft eingeschaltet und Vorermittlungen begonnen. Geprüft wird, ob eine fahrlässige Körperverletzung vorliegt. Eine 33-jährige Patientin hatte sich gemeldet, die von dem Holländer behandelt worden war. Offen ist noch, ob die Frau Strafantrag wegen fahrlässiger Körperverletzung stellt.

 

Indes wird deutlich, dass die Heilbronner Klinik Hinweise auf das unheilvolle Wirken des Skandalarztes in Holland hatte. Geschäftsführer Thomas Jendges musste eingestehen, dass die Personalleitung der Klinik schon 2011 von dem Verfahren gegen den Arzt Kenntnis hatte. Da kein Haftbefehl und kein Urteil vorlagen, seien aber keine Einwände gegen seine Beschäftigung vorgebracht worden. Auch ein Googeln unter seinem deutschen Namen – der Arzt verwendete zweierlei Namensversionen und auch zwei Altersangaben – habe nichts ergeben. Die betreffenden Mitarbeiter der Personalabteilung sollen jetzt nicht mehr am Klinikum beschäftigt sein.

Einiges war doch bekannt

Auch dass der Mediziner in Holland seine Approbation zurückgegeben habe und dort ein Verfahren gegen ihn läuft, sei kurz nach Beginn seiner Tätigkeit in Heilbronn bekannt geworden. Er selbst, sagte Jendges, habe das nicht gewusst. Er und der Aufsichtsratschef der Klinik, der Heilbronner Oberbürgermeister Helmut Himmelsbach, zogen erste Konsequenzen: eine Kommission der Universität Heidelberg würde überprüfen, ob Patienten geschädigt wurden. Weiter solle die Praxis bei Einstellungen geprüft werden.

Der betreffende Arzt ist über eine Vermittlungsagentur als Honorarkraft nach Heilbronn gekommen. Dieses Verfahren ist nicht unüblich. Kliniken überbrücken mit Honorarärzten kurzfristige Engpässe, wenn sie eine frei gewordene Stelle nicht wieder besetzen können. Andere Anlässe sind Urlaubs- und Krankheitsvertretungen. Diese Ärzte sind nicht angestellt, sondern arbeiten auf Stundenbasis. Laut Deutschem Krankenhaus-Institut haben im Jahr 2010 fast drei von vier Kliniken in Deutschland Honorarärzte beschäftigt. Die Einrichtungen deckten 3,4 Prozent ihres Ärztebedarfes über den Markt von medizinischem Leihpersonal.

Ärzte als Leiharbeiter

Für Krankenhäuser wird es immer schwieriger, frei gewordene Posten zu besetzen. Fast zwei Drittel der Kliniken beklagen das laut Baden-Württembergischer Krankenhausgesellschaft (BWKG). Hintergrund seien Vorschriften zur Arbeitszeit. Sie hätten die Kliniken gezwungen, Ärzte einzustellen. Innerhalb von vier Jahren sei bis 2011 die Zahl ärztlicher Vollkräfte in den Krankenhäusern im Südwesten um mehr als neun Prozent auf rund 17 600 angewachsen. Der Ärztemarkt sei abgegrast, heißt es bei der BWKG.

Da kommen Agenturen wie „Doctari“, „Doc24“ oder „Doc-for-rent“ ins Spiel, die Honorarmediziner vermitteln. Sie leben von den Vermittlungsgebühren, die die Kliniken bezahlen müssen. Fachärzte werden mit 70 bis 90 Euro Honorar pro Stunde angelockt. Die Dauer eines Einsatzes kann von einzelnen Tagen oder Diensten bis zu Wochen oder monatsweisen Vertretungen reichen. Die fachliche Qualifikation wird durch Vorlage der Approbations- und der Facharzturkunde nachgewiesen.

Die Furcht der Chefärzte

Approbation ist Ländersache. Zulassungsbehörde im Land ist das Landesgesundheitsamt beim Regierungspräsidium Stuttgart. Da heißt es, die Approbation für den holländischen Mediziner sei von der Behörde eines anderen Bundeslandes erteilt worden. Sie gilt dann aber bundesweit.

Der Einsatz von Honorarärzten wird zwiespältig gesehen. Sie sind teurer als angestellte Kräfte. „Es können Neiddebatten entstehen“, heißt es bei der Landesärztekammer – etwa, wenn der Leiharzt mehr verdient und sich auch die Arbeitszeiten aussuchen kann. Mancher Chefarzt befürchtet, dass Angestellte kündigen, weil sie als Honorarkraft einen besser bezahlten Job bekommen können. Andererseits helfen Honorarkräfte, Engpässe zu überbrücken. Operationssäle können betrieben werden, wenn auch zu höheren Kosten.