Es war ein Erfolg der großen Emotionen: Der Münchner Linus Straßer fährt nach dem Sieg beim Parallelslalom von Stockholm mit viel Selbstvertrauen zur WM.

Stockholm - Die großen Emotionen kamen mit Verspätung, rund zwei Stunden nach dem Sieg. Erst als Linus Straßer am Dienstagabend allein in seinem Hotelzimmer in Stockholm saß, begann er zu begreifen, was zuvor passiert war. „Da wusste ich nicht: Soll ich lachen, soll ich weinen.“ Der 24 Jahre alte Münchner hat sich beim Parallelslalom auf dem Hammarbybacken im Südosten der schwedischen Hauptstadt gegen die Elite durchgesetzt und seinen ersten Weltcup-Sieg geholt. Dabei hatte er sich erst einmal gar nicht qualifiziert für das City-Event, sondern war als – aufgrund der vorgeschriebenen Platzierung in der Weltrangliste – einzig möglicher Ersatzmann für den angeschlagenen Felix Neureuther nominiert worden. Der Teamkollege, der unterdessen sein lädiertes Knie behandeln ließ, um den Start bei der in der nächsten Woche beginnenden Weltmeisterschaft in St. Moritz nicht zu gefährden, schickte ihn nach Skandinavien, „um dort zu gewinnen“.

 

Dem Höhenflug folgt der Absturz

Straßer liebt diese Parallelwettbewerbe, er hat vor vier Jahren schon einmal ein Europacup-Rennen in diesem Format für sich entschieden. Aber ihm zuzutrauen, unter anderem den Slalom-Besten der Welt, Henrik Kristoffersen, und im Finale den Franzosen Alexis Pinturault zu bezwingen, war dann doch etwas übermütig von Neureuther, hatte Straßer als bestes Weltcup-Resultat bis zum Ausflug in den Norden lediglich einen fünften Platz stehen – und der liegt zwei Jahre zurück. Allerdings zeigte er in jenem Winter bereits, zu was er fähig ist. Es war seine erste Saison im alpinen Weltcup, und da ging es ziemlich schnell ziemlich steil bergauf für den damals 22-Jährigen. In seinem dritten Rennen hatte er sich gleich für das Finale qualifiziert, schied da aber aus, bei seinem siebten Auftritt klappte es zum ersten Mal mit Weltcup-Punkten, kurz danach wurde er in Kitzbühel 14., in Schladming eben Fünfter und bei der WM Zehnter. Es habe einfach alles funktioniert, so Straßer.

Der Münchner, der in Kitzbühel das Skifahren gelernt hat, schien nicht mehr aufzuhalten. Auch Straßer dachte, „es geht einfach so weiter“ – und das war der erste Schritt auf dem Weg nach unten. „Man lässt ein bisschen nach, wird schludrig“, gibt er heute zu. „Dann fängt man an zu grübeln, und der Kopf spielt einem einen Streich.“ Am Ende stand eine Saison, in der er häufig ausschied, sich oft nicht für die zweiten Durchgänge qualifizierte und schließlich in der Startliste weit zurückfiel. Für den Alpinchef des Deutschen Skiverbands, Wolfgang Maier, war dies keine Überraschung. „Das zweite Jahr ist oft das schwierigste.“ Wer schnell nach oben kommt, muss oft erst wieder durch ein Tal, um zu erkennen, dass Talent allein nicht reicht. Manchmal dauert es länger, bis diese Erkenntnis kommt, bei Straßer ging es schnell. „Er hat die Situation damals falsch eingeschätzt“, sagt Maier, aber doch rasch eingesehen, „dass es so nicht geht“. Der 24-Jährige vom TSV 1860 München spricht von einem Reifeprozess: „Es ist hart, das zu lernen.“

Rückenwind für die Weltmeisterschaft

Als Erstes entschloss er sich zu einem Skiwechsel. Bis zur vergangenen Saison fuhr er auf Brettern der gleichen Marke wie Neureuther, „aber das Material hat nicht mehr gepasst“. Dass dies womöglich nicht nur eine Frage des fehlenden Vertrauens war, sondern der italienische Hersteller tatsächlich im Vergleich mit der Konkurrenz derzeit ein paar Nachteile hat, zeigen die Schwierigkeiten des Teamkollegen. Neureuther ist vor der WM auf der Suche nach dem richtigen Ski und der Abstimmung. Straßer ist jetzt Markenkollege von Kristoffersen und sagt: „Ich bin heilfroh.“

Aber noch wichtiger vielleicht als die Wahl der Ski war, dass er schon in der Vorbereitung im Training „anders gearbeitet“ hat, „bewusster“, wie Maier findet. Es ging wieder aufwärts. In Adelboden Anfang Januar gelang ihm mit dem zehnten Platz sein bis dahin zweitbestes Weltcup-Ergebnis, dazu kamen zwei 16. Plätze. Der Sieg, sagt er, gebe ihm Rückenwind für die WM. Ein Slalom sei zwar etwas anderes als das City-Event in Stockholm. „Aber so ein Erfolg kann auch mal was bewirken.“